Untitled
wohnen müßte. Sie antwortete, sie hätte in Denver in dem Zustand gewohnt, «den sie vorgefunden hatte». Gebe zu, daß da etwas Wahres dran ist. Es schaudert mich bei der Vorstellung, was mit dem Haus passiert wäre, wenn sie es hätte verändern dürfen.
28. April
Habe Lady Severn and Thames besucht, denn es ist der vierte Dienstag im Monat, also mein Besuchstag. Sie erzählte mir, das Baby solle Matthäus heißen, wenn es ein Junge wird. Ich fragte sie, woher sie diese eigenartige Idee hat. Der einzige Matthäus in der Familie ist ein verarmter Vetter, den Gerald in Denver wohnen läßt und der dort in der Bibliothek herumgeistert. Sie sagte, sie hätte es von Peter selber, und ich solle beten, daß es ein Junge wird, weil wenn es ein Mädchen würde, wollten sie es Keren-happuh nennen. Frage mich, ob sie nicht doch langsam wunderlich wird.
14. Juni
Ruhiges Abendessen am Audley Square, nur wir drei. Sprachen über Mrs. Simpson. Onkel Paul hat französische Zeitungen geschickt, in denen überall steht, daß der König sie heiraten wird. Peter meinte, Edward würde zugunsten seines Bruders, des Herzogs von York, abdanken müssen, weil es in England so etwas wie eine morganatische Ehe nicht gib. Kann mir nicht vorstellen, daß er so etwas tun würde, der König, meine ich. Dann kam die Sprache auf das heikle Thema des Hochzeitsgeschenks für Bunter. Harriet schlug die Kerzenständer von Paul de Lamerie vor. Ich rief; «O nein, nicht die, Peter liebt sie doch so.» Harriet erklärte, das sei das Problem, wenn man so reich sei: Wenn man jemandem etwas Wertvolles schenken wolle, müsse es schon etwas von emotionalem Wert für einen selbst sein. Ich hatte das deutliche Gefühl, daß Peter einer Meinung mit ihr war.
3. August
Bunters Hochzeitstag. St. James's, Piccadilly. Bunter erweist sich als strenger Anhänger der Hochkirche, und es wurde Panis Angelicus gesungen, und zwar von Aurelia Sil verstraum, die gerade aus Wien angekommen ist und, wenn ich mich nicht irre, früher mit Peter … aber das ist jetzt alles Vergangenheit, obwohl ich glaube, daß er einige Hebel in Gang gesetzt hat, um ihre Papiere in Ordnung zu bringen. Die Kirche war proppenvoll, lauter Musikkritiker und Journaille. Immerhin besser erzogen als die Polizeireporter, die an der Treppe zur Orgelempore lauerten, um die Sopranistin auszufragen. Die Braut schlich sich fast unbemerkt in die Kirche. Sie trug ein muschelrosafarbenes Satinkleid, sehr gefällig. Bunter und Meredith (der Trauzeuge) sahen angespannt aus. Ich könnte schwören, daß Bunters Augen feucht waren, als die Braut sich dem Altar näherte. Aber ich muß mich irren, das sieht Bunter so gar nicht ähnlich. Harnet in einem weiten dunkelroten Kleid, hat jetzt schon diesen leicht nach hinten geneigten Gang. Ich sagte zu Peter, daß ihr die Schwangerschaft gut stehe, und er meinte, sie sähe aus wie ein Schiff voller Schätze, das in den Hafen einläuft. Ist in der Blüte seiner Jahre offensichtlich noch nicht ganz verknöchert. Für mein Gefühl etwas zu viel Weihrauch, aber als Aurelia S. den Mund öffnete, war ich wie vom Donner gerührt! Dachte, die ganze Kirche würde sich vom Erdboden erheben und uns in das Empyreum davontragen – falls man im Himmel Empirie betreibt –, oder ist das etwas anderes? Habe wohl das Wort falsch verstanden. Verstehe jetzt aber, wozu dieses ganze Aufhebens um die Frau.
Empfang im Bellona Club, in einem der Veranstaltungssäle. Bunters Mutter, sehr groß und sehr geschwächt, mußte im Lastenaufzug hinaufgeschafft und in einen Sessel plaziert werden. Die Hochzeitsgeschenke waren alle ausgestellt – habe Peters Kerzenleuchter sofort entdeckt. Alle von Peters Angestellten vom Rang des Hausmädchens aufwärts unter den Gästen. Durchweg sehr adrett. Mrs. Trapp in einem taubenblauen Kostüm, dazu ein breitkrempiger hellblauer Strohhut mit Stiefmütterchen. Der Brautvater hielt eine lang atmige Rede, offensichtlich sehr stolz auf seine Tochter. Und mit Recht. Wie ich diese modernen Frauen bewundere, was sie alles können. Das Paar wurde an einem Seiteneingang verabschiedet – der Haupteingang ist für Frauen verboten. War erstaunt zu sehen, daß die beiden in Peters Daimler davonfuhren. Sagte zu Harriet, er mag Bunter wohl noch mehr, als ich gedacht hatte. Sie meinte, für eine Foto-Expedition durch die Highlands brauche man einen großen Wagen. Kam ziemlich niedergeschlagen heim. Fühle mich häufig niedergeschlagen, wenn etwas Schönes vorbei ist.
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