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Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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für all die körperlichen und seelischen Misshandlungen, die die Männer den Frauen während ihres Lebens zufügten.
    »Wie wunderbar, dass Sie gekommen sind, Alex«, sagte die Frau neben mir plötzlich so laut, dass ich sie trotz des Schluchzens und Schreiens um uns herum mühelos verstand. Sie legte mir den Arm um die Schultern. »Sie sind ein guter Mann. Einer der wenigen.«
    »Ja, das ist mein Problem«, murmelte ich vor mich hin. Dann fügte ich laut und deutlich hinzu: »Schwester, verzeih. Sie sind eine gute Frau. Sie sind ein Schatz.«
    Die Frau packte mich fester. Eigentlich war sie wirklich ein Schatz. Sie hieß Terri Rashad, war Anfang dreißig, attraktiv, stolz und sonst eine Frohnatur. Ich hatte sie in unserer Nachbarschaft schon öfter gesehen.
    »Schwester, verzeih«, hörte ich Sampson zu der Frau sagen, die neben ihm in der Kirchenbank stand.
    »Es sollte Ihnen auch verdammt Leid tun!«, hörte ich Lace McCray sagen. »Aber vielen Dank. Sie sind gar nicht so übel, wie wir gedacht haben.«
    Nach geraumer Zeit stieß Sampson mich an. »Es packt einen doch gefühlsmäßig, wenn man sich mal drauf eingelassen hat. Vielleicht hatte Nana Recht, dass sie uns aufgefordert hat, mitzukommen«, flüsterte er mit seiner tiefen Stimme.
    »Klar, Nana hat immer Recht«, sagte ich. »Sie ist wie eine achtzigjährige Oprah.«
    »Wie geht's dir denn, Süßer?«, fragte John, als das Singen, Schluchzen und Schreien abflaute.
    Ich dachte ein paar Sekunden nach. »Ich vermisse Christine. Aber wir sind glücklich, dass der Junge bei uns ist. Nana behauptet, er würde ihr Leben um Jahre verlängern. Er bringt Leben ins Haus – von morgens bis abends. Er hält uns alle für seine Dienstboten .«
    Christine war Ende Juni nach Seattle umgezogen. Wenigstens hatte sie mir zum Schluss doch noch gesagt, wohin sie ging. Ich war nach Mitchellville hinübergefahren, um mich von ihr zu verabschieden. Ihr neues Auto war voll gepackt. Alles war bereit. Dann umarmte mich Christine zum Abschied, brach in Tränen aus und drückte sich an mich. »Vielleicht eines Tages«, flüsterte sie. » Vielleicht eines Tages , Alex.«
    Aber jetzt war sie weit weg im Staat Washington, und ich saß hier in der Baptistenkirche in meiner Nachbarschaft. Ich vermutete, Nana wollte mir eine Verabredung verschaffen. Dieser Gedanke war einfach zu komisch. Ich musste lachen.
    »Tun die Schwestern dir Leid, Alex?«, fragte Sampson.
    Er wurde geschwätzig. Ich schaute meinen Freund und Partner an und ließ dann den Blick über die Leute in der Kirche schweifen.
    »Klar. So viele gute Menschen hier, und alle bemühen sich nach Kräften. Sie wollen doch nur ab und zu ein bisschen geliebt werden.«
    »Das ist ja auch nicht falsch«, meinte Sampson und packte mich fest an der Schulter.
    »Nein, überhaupt nicht. Wir alle versuchen doch, alles so gut wie möglich zu machen.«
     
    E in paar Tage später war ich abends zu Hause und spielte um halb zwölf noch im Wintergarten auf dem Klavier. Im Haus war es still und angenehm friedlich, so wie ich es bisweilen genoss. Ich war gerade oben gewesen und hatte nach dem Jungen gesehen. Er schlief wie ein entzückender kleiner Engel in seinem Bettchen. Ich spielte die Rhapsody in Blue von Gershwin, einem meiner Lieblingskomponisten.
    Ich dachte an meine Familie, an unser altes Haus an der Fünften Straße, und wie gern ich dort wohnte, obwohl in dieser Gegend alles im Argen lag. Langsam bekam ich wieder einen klaren Kopf. Vielleicht hatte all das Schluchzen und Weinen in der Kirche doch geholfen. Oder vielleicht war es Gershwin.
    Das Telefon klingelte. Ich rannte in die Küche, um abzunehmen, ehe das Geräusch alle weckte, besonders den kleinen Alex – oder AJ, wie Jannie und Damon ihn seit kurzem nannten.
    Am anderen Ende war Kyle Craig.
    Kyle rief fast nie bei mir zu Hause an und nie so spät. So hatte alles beim Superhirn-Fall angefangen – mit Kyle.
    »Warum rufst du mich hier an, Kyle?«, fragte ich. »Was ist los? Ich kann keinen neuen Fall übernehmen.«
    »Schlimme Sache, Alex. Ich weiß nicht, wie ich 's dir sagen soll«, erwiderte er mit weicher, leiser Stimme. »Scheiße, Alex … Betsey Cavalierre ist tot. Ich bin jetzt in ihrem Haus. Du solltest herkommen. Gleich.«
    Eine endlose Minute später legte ich auf. Ich muss es getan haben, denn der Hörer lag auf der Gabel. Meine Arme und Beine hatten sich in Götterspeise verwandelt. Ich biss mir auf die Innenseite der Wange und schmeckte das Blut. Alles um mich

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