Untot in Dallas
immer noch leben, sind nur entfernt verwandt. Aber Jessie stammte von meinem Sohn Tom ab, und offenbar hat meine Tochter Sarah 1881 geheiratet. Sie bekam ein Baby im Jahre - Sarah hatte ein Baby! Sie hatte vier Kinder! Aber eins von ihnen kam tot zu Welt.“
Ich konnte Bill nicht einmal ansehen. Statt dessen starrte ich aus dem Fenster. Es regnete. Meine Oma hatte ihr altes Blechdach sehr geliebt, also hatten wir das Haus, als es neu gedeckt werden mußte, wieder mit Blech decken lassen, und das Geräusch von Regentropfen, die auf dieses Dach trommelten, empfand ich in der Regel als das beruhigendste Geräusch der Welt. In dieser Nacht erlebte ich das nicht so.
„Schau, Sookie“, sagte Bill und wies auf einen Eintrag. „Sieh doch! Die Tochter meiner Tochter Sarah, die nach ihrer Großmutter Caroline genannt worden war, heiratete einen ihrer Cousins, Matthew Philips Holliday, und ihr zweites Kind hieß Caroline Holliday.“ Er strahlte.
„Dann ist die alte Mrs. Bellefleur deine Urenkelin?“
„Ja“, sagte er, als könne er es selbst nicht glauben.
„Dann ist Andy“, fuhr ich fort, ehe ich es mir anders überlegen konnte, „dein Ur-Ur-Urenkel, und Portia ...“
„Ja“, wiederholte Bill, schon weit weniger glücklich.
Ich wußte wirklich nicht, was ich sagen sollte, also sagte ich, was selten vorkommt, lieber gar nichts. Nach einer Weile bekam ich das Gefühl, es sei besser, mich ein wenig rar zu machen, weswegen ich erneut versuchte, mich an Bill vorbei aus der engen Küche zu quetschen.
„Was brauchen die drei?“ fragte Bill und packte mich am Handgelenk.
Na gut. „Geld“, sagte ich sofort. „Mit ihren persönlichen Problemen kannst du ihnen nicht helfen, aber sie sind arm, und zwar sehr, was Bargeld betrifft. Die alte Mrs. Bellefleur will ihr Haus nicht aufgeben, und das verschlingt jeden einzelnen Penny.“
„Ist sie stolz?“
„Ich denke, das konntest du schon ihrer Nachricht auf meinem Anrufbeantworter entnehmen! Ich weiß genau, daß sie mit zweitem Namen Holliday heißt, wer das aber nicht weiß, denkt sicher, ihr zweiter Name sei 'Stolz' .“ Bei diesen Worten warf ich Bill einen schrägen Blick zu. „Das liegt wohl in der Familie.“
Irgendwie schien es Bill besser zu gehen, seit er wußte, daß er etwas für seine Nachkommen würde tun können. Nun würde er wohl ein paar Tage in Erinnerungen schwelgen; ich wollte ihm das nicht übelnehmen. Sollte er aber planen, sich Andys und Portias Rettung permanent auf die Fahnen zu schreiben, dann könnte sich das durchaus zu einem Problem entwickeln.
„Bis jetzt konntest du den Namen Bellefleur nicht leiden“, sagte ich, und es überraschte mich selbst, daß ich dieses Thema ausgerechnet jetzt zur Sprache brachte. „Warum nicht?“
„Als ich den Vortrag im Verein deiner Oma hielt, erinnerst du dich, bei den Nachkommen ruhmreicher Toter?“
„Sicher.“
„Da habe ich die Geschichte von dem verwundeten Soldaten erzählt, der mitten in einem Feld lag und nicht aufhören wollte, um Hilfe zu schreien, und ich habe erzählt, wie mein Freund Tolliver versucht hat, ihn zu retten?“
Ich nickte.
„Tolliver kam bei dem Versuch ums Leben“, sagte Bill mit ausdrucksloser Stimme, „und der verwundete Soldat hat gleich nach Tollivers Tod wieder angefangen, um Hilfe zu rufen. In der Nacht gelang es uns, ihn zu retten. Es war Jebediah Bellefleur. Er war damals siebzehn.“
„ Ach, mein Gott - und mehr hattest du bis heute zu den Bellefleurs nicht im Kopf?“
Bill nickte.
Ich versuchte krampfhaft, mir etwas Bedeutungsvolles einfallen zu lassen, das ich darauf hätte sagen können. Irgend etwas über den Gang der Welt. Der Mensch denkt, doch Gott lenkt? Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus?
Statt dessen versuchte ich erneut, die Küche zu verlassen. Aber Bill packte mich am Arm und zog mich an sich. „Ich danke dir.“
Das war nun das letzte, was ich zu hören erwartet hätte. „Wofür denn?“
„Du hast dafür gesorgt, daß ich das Richtige tat, obgleich ich keine Vorstellung davon hatte, womit ich letztlich belohnt werden würde.“
„Bill, ich bin doch gar nicht in der Lage, dafür zu sorgen, daß du irgend etwas tust!“
„Du hast dafür gesorgt, daß ich wie ein Mensch denke, als sei ich immer noch am Leben.“
„Das Gute, das du tust, kommt aus dir, nicht von mir.“
„Ich bin Vampir, Sookie. Ich bin schon viel länger Vampir, als ich vorher Mensch war. Ich habe oft Dinge getan, die dich
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