Untot - Lauf, solange du noch kannst (German Edition)
rollt, mit Armen und Beinen um sich schlägt und alles in den Kampf legt, was er hat. Bloß reicht das vielleicht nicht.
Am Ende des Stegs hängt ein zusammengerolltes Seil. Ich schnappe es mir; es ist steif gefroren und so gut wie nutzlos, aber etwas Besseres habe ich nicht. Rasch stelle ich die Kühltasche beiseite und trete vom Ende des Stegs auf das Eis.
»Bobby, nein!«
Ich ignoriere die Rufe meiner Mutter. Zu rennen traue ich mich nicht, aber ich mache große, gleitende Schritte auf Smittys tapferes Gesicht zu. Er hat sich zwischen ein paar Eisschollen verkeilt, damit die Zombies ihn nicht wieder nach unten ziehen können.
»Ich komme!«, rufe ich, mit schrecklich dünner Stimme – aber er hört mich und ich sehe einen Hoffnungsschimmer in seinen Augen. Dann Angst, Angst um mich.
»Das Eis …«, keucht er. »Dünn …«
Weiß ich doch. Ich gehe auf alle viere hinunter und rutsche wie eine Babygiraffe auf ihn zu, dabei gucke ich nach unten, gucke durch das Eis, um das zu sehen, was ihn nach unten zieht. Da sind sie, die Viecher, die mal Menschen gewesen sind, eine wimmelnde Masse von Gliedmaßen und grotesken, geschwollenen, grauen Köpfen. Ich reiße mich von dem Anblick los und konzentriere mich auf das Loch.
»Hier!« Ich werfe das Seil. Mist, zu kurz. Ich muss dichter heran. Ich krabbele vorwärts, lege mich flach aufs Eis und werfe noch mal, mit mehr Kraft. Smitty hechtet sich darauf zu und – schnapp – habe ich ihn am Haken. Ein Rekordfisch. Ich schiebe mich rückwärts, aber es ist klar, dass ich ihn nicht herausziehen kann.
»Halt einfach fest!«, ruft er mit dem Mund voll Eiswasser. Ich klemme mir das Seil zwischen die Beine, wickle es mir um die Hüfte und ziehe es über meine Schulter, dann lege ich mich mit meinem vollen Gewicht darauf. Mit einem heftigen Ruck zieht sich Smitty hoch, während die Hände nach ihm greifen. Ich halte gegen und hoffe, dass das reicht.
Und das tut es.
Auf einmal ist er neben mir, triefnass und keuchend wie ein Neugeborenes.
Und dann ist Mum da und packt mich an den Beinen, sichert mich, während ich Smitty sichere.
Für Worte fehlt uns die Energie. Wir kriechen zum Steg zurück, helfen einander. Als wir dort ankommen, hat Smitty sich schon erholt und klettert als Erster hoch, aber mein Bein gibt bei dieser letzten unmöglichen Hürde nach und ich klappe zusammen. Er greift zu mir nach unten, packt mich an der Jacke und zieht mich hoch; Mum schiebt von unten. Und dann sind wir endlich oben, wieder auf festem Boden.
Während wir da keuchend liegen, fällt mir auf, dass das eine Hosenbein von Smitty am Knie zerrissen ist.
Und in seinem bleichen Fleisch sind drei zerklüftete böse Bisswunden.
Kapitel
29
Smitty setzt sich mit einem Ruck auf und fängt an zu bibbern. Ich ziehe meinen Skianorak aus und lege ihn um seine Schultern. Ich spüre, wie mir die Tränen kommen.
Alice schüttelt mich. »Wir müssen hier weg – sie sind beim Tor!« Sie starrt auf Smitty hinunter, sieht sein Bein. »Au, Mist.« Ihre Unterlippe beginnt zu zittern.
»Lasst mich!«, herrscht Smitty uns an. »Geht!«
»Jetzt hör mir bloß auf mit diesem Märtyrerquatsch!«, schreie ich ihn an. »Steh auf und beweg dich!« Mir laufen die Tränen übers Gesicht.
»Sie haben mich erwischt, Bobby. Ich werd’ mich verwandeln.«
»Hoch jetzt!« Ich packe seinen Arm und zerre ihn auf die Knie. »Wir stehen das zusammen durch. Und wehe, du verwandelst dich, dann mach ich dir die Hölle heiß.«
»Ich auch, du blöder Penner«, schluchzt Alice.
»Da bin ich dabei!«, ruft Pete. »Aber so was von!«
»Ihr seid ja die totalen Luschen«, höhnt Smitty trotz des Bibberns, das seinen Körper schüttelt. »Warum musste ich ausgerechnet an euch geraten?« Er erfriert vielleicht gerade, aber verwandeln tut er sich noch nicht – das würde er nicht wagen. Er versucht aufzustehen, schreit aber schmerzerfüllt auf und fällt wieder um. Er krampft auf dem Boden, biegt den Rücken durch.
Ich sehe zu meiner Mutter hoch. »Hilf mir ihn zu tragen!«
Ihr Gesicht ist eiskalt. »Lass ihn.«
Ich starre sie an.
»Er ist gebissen worden, Bobby. Du weißt, was passiert.«
»Hilf mir dabei, ihm zu helfen!«, schreie ich sie an. Meine Gedanken rasen. Ohne Hilfe werden Alice und ich nicht weit kommen mit Pete und Smitty. »Es geht ihm gut!«
»Er ist infiziert.« Sie guckt ihn nicht mal an.
»Ich hasse dich.« Der Zorn befeuert meine Versuche, Smitty auf die Beine zu kriegen. Bloß hilft
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