Unverstanden
…«
»Nein, Mr. Reed, ich meine Danielle Steel, die Schriftstellerin. Sie heiratete einen Häftling. Zwei, genau genommen.« An blätterte in ihren Unterlagen, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen. »Danny Zugelder war der Erste, und am Tag nach der Scheidung von ihm heiratete sie William George Toth.«
»Na, das ist aber irgendwie merkwürdig«, sagte Martin und fragte sich, wie diese so prominente Miss Steel überhaupt Kontakt zu Kriminellen bekommen
konnte. »Ich wette, ihre Mutter war damit überhaupt nicht einverstanden.«
»Vielleicht doch«, sagte An und strich sich die widerspenstigen Haare im Nacken glatt. »Vielleicht sagte ihre Mutter so etwas wie: ›Ich will einfach nur, dass du glücklich bist.‹«
Martin hatte seine eigene Mutter diesen Satz oft genug sagen gehört, aber seiner Erfahrung nach meinte sie damit in Wirklichkeit nur: »Tu, was ich dir verdammt noch mal sage, du zurückgebliebener Trottel.«
An sagte: »Ich denke mir, ihre Mutter freute es einfach zu hören, dass ihre Tochter sich verliebt hatte.«
»Kann ich mir vorstellen«, antwortete Martin, obwohl er es ihr keine Sekunde lang abkaufte. Er hätte auf jeden Fall nichts dagegen, wenn Evie sich mit einem geistesgestörten Mörder einlassen würde, aber wenn es um jemanden ginge, der ihm wirklich am Herzen lag - Anther zum Beispiel -, dann hätte er mit Sicherheit einiges zu sagen über …
Martin räusperte sich und strich seinen Gefängnis-Overall glatt. »Verheiratet, sagten Sie?«
An nickte und blätterte wieder in ihren Unterlagen. Er sah das Foto einer geköpften Frau in einem Graben und schaute schnell wieder weg. (Die Tatortfotos
waren immer noch der schlimmste Teil seiner Geständnisse.)
Martin sagte: »Ich frage mich, wie so was funktioniert?«
»Na ja, ich vermute, der Gefängniskaplan führte die Zeremonie durch.«
»Wahrscheinlich«, pflichtete Martin ihr bei und hatte sofort eine sehr lebhafte Vorstellung. An würde wunderbar aussehen in einem weißen Kleid. Vielleicht konnten sie aus der Küche ein bisschen Reis bekommen - oder vielleicht noch besser, An könnte ihn von zu Hause mitbringen. Die Latino-Gang, die die Küche betrieb, war in Martins Augen sehr geizig. Wenn man da nur ein Brötchen zusätzlich wollte! Er stellte sich vor, dass seine Bitte um Reis einen Aufruhr auslösen würde. Stilette im Morgengrauen!
»Martin?«
Er ließ den Namen ein paar Sekunden zwischen ihnen hängen. An benutzte seinen Vornamen nur sehr selten, und Martin genoss es jedes Mal, als wäre es etwas ganz Kostbares. Denn das war es auch. So gemein und hasserfüllt seine Mutter auch sein konnte, in einem hatte sie recht: Martins Leben im Gefängnis war viel besser als das Leben, das er unter ihrem Dach geführt hatte. Hier drinnen war er ein Mörder, was ihm einen gewissen
Respekt einbrachte. Er hatte seine Bücher. Er hatte eine Arbeit. Und jetzt - war es möglich? War der Traum in Erfüllung gegangen - hatte er tatsächlich auch Anther?
»Ich komme hier nie mehr raus«, erinnerte Martin sie.
Sie hatte den Kopf gesenkt, aber er sah, dass ihre Lippen sich bei dem Gedanken zu einem Lächeln kräuselten. »Ich weiß.«
»Auch wenn mein Urteil umgewandelt werden sollte, ich komme hier nie …«
»Ich weiß«, wiederholte sie und schaute ihn an. »Sie werden nie mehr frei sein. Sie werden mich nie berühren oder mit mir zusammen sein können oder …« Sie ließ den Satz unvollendet. »Wir können nicht wirklich heiraten, Martin. Nicht offiziell.«
»Ja.« Das sah er jetzt ein. An war Detective und er war ein verurteilter Dreifachmörder (oder würde es sehr bald sein, im Frühling wartete ein weiterer Prozess auf ihn, mit eindeutiger Beweislage). Sie waren wie Hund und Katz, Öl und Wasser, Nacht und Tag. Es standen einfach zu viele Dinge zwischen ihnen, allein schon der Reis war ein logistischer Alptraum.
Ans Stimme klang sanft und doch beschwingt: »Kein Mensch darf je etwas von uns erfahren,
Martin. Es ist fast so, als wärst du nur ein Produkt meiner Fantasie.« Ihr Gesicht war wieder rot geworden, ein wunderschöner Farbton, der das Kälte-Ekzem an ihren Nasenrändern fast verschwinden ließ. An fragte: »Verstehst du, was ich dir sagen will, Martin? Verstehst du, was ich meine?«
»Ja«, antwortete er. Und das stimmte wirklich. Jetzt endlich verstand Martin.
Sie fanden diesen Roman so fesselnd, dass Sie ihn gar nicht mehr aus der Hand legen möchten? Dann lesen Sie doch einfach weiter!
Im Folgenden eine Leseprobe
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