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Unverstanden

Unverstanden

Titel: Unverstanden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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aus Karin
Slaughters nächstem großem Thriller mit der
Gerichtsmedizinerin Sara Linton und Chief
Jeffrey Tolliver (erscheint im Juni 2009
im Blanvalet Verlag):

    Karin Slaughter
    Zerstört
    Sara fuhr durch die Innenstadt von Heartsdale, der Tacho ihres BMW 335ci zeigte kaum fünfundzwanzig Meilen. Sie fuhr am Discounter vorbei, am Bekleidungsgeschäft, am Eisenwarenladen. Vor der Textilreinigung blieb sie mitten auf der leeren Straße stehen und überlegte sich, ob sie weiterfahren sollte oder nicht.
    Vor ihr standen die Tore des Grant Institute of Technology offen. Als Kobolde oder Superhelden verkleidete Studenten kamen die Auffahrt herunter. Halloween war zwar bereits in der letzten Nacht gewesen, aber die Studenten des Grant Tech neigten dazu, aus jedem Feiertag eine wochenlange Sause zu machen. Sara hatte sich dieses Jahr nicht einmal die Mühe gemacht, Süßigkeiten zu kaufen. Sie wusste, dass keine Mutter und kein Vater ihrem Kind erlauben würde, an ihre Tür zu klopfen. Seit Eröffnung dieses spektakulären
Kunstfehlerprozesses ächtete sie die ganze Stadt. Sogar Patienten, die sie jahrelang behandelt hatte, Leute, denen sie wirklich geholfen hatte, wichen im Supermarkt oder in der Apotheke ihrem Blick aus. In Anbetracht dieser Atmosphäre hatte Sara es für nicht sonderlich klug gehalten, ihr traditionelles Hexenkostüm anzuziehen und zur Kirchenparty zu gehen, wie sie es die letzten sechzehn Jahre getan hatte. Sara war im Grant County geboren und hier aufgewachsen. Sie wusste, dass dies eine Stadt war, die Hexen verbrannte …
    Achteinhalb Stunden hatte sie in der Anhörung bei Gericht verbracht, und jeder Aspekt ihres Lebens war durchleuchtet worden. Über hundert Eltern hatte Freigabeerklärungen unterschrieben, damit die Krankenakten ihrer Kinder von Sharon Connor durchgekämmt werden konnten, und die meisten hatten gehofft, dass am Ende des Prozesses vielleicht auch Geld für sie herausspringen könnte. Melinda Stiles, die sich erstaunlich hilfsbereit gezeigt hatte, nachdem die Zeugen den Raum verlassen hatten, erklärte ihr, das komme ziemlich häufig vor. Ein Kunstfehlerprozess mache aus Patienten Geier, erläuterte sie, und es könne passieren, dass im Verlauf dieses Prozesses gegen Sara noch mehr davon über ihrem Kopf kreisen würden. Die Leute von der Ärzteversicherung würden
alles durchrechnen, die Verluste gegen die Stärke von Saras Verteidigung abwägen und dann entscheiden, ob sie sich auf einen Vergleich einlassen sollten oder nicht.
    In diesem Fall wäre all das - die Demütigung, die Erniedrigung - völlig sinnlos.
    Einer der Collegestudenten auf der Straße schrie, und Sara erschrak und rutschte mit dem Fuß von der Bremse. Es war ein junger Mann, der ein Chiquita-Bananen-Kostüm trug, einschließlich einer blauen Caprihose und eines Wickeltops, das einen haarigen, runden Bauch zeigte. Es waren immer die Stämmigen, die sich bei der ersten Gelegenheit, die sich ihnen bot, als Frau verkleideten. Wäre der arme, kleine Jimmy Powell auch ein so alberner junger Mann geworden? Wenn er weitergelebt hätte, hätte er die gebeugte Haltung und den mageren Körperbau seines Vaters bekommen oder das rundliche Gesicht und die fröhliche Art seiner Mutter? Sara wusste, dass er eine schnelle Auffassungsgabe gehabt hatte und einen Hang zu derben Späßen und schlechten Witzchen. Alles andere würde kein Mensch mehr je erfahren.
    Sara bog nach links auf den Parkplatz der Klinik ein. Der Parkplatz ihrer Klinik, die sie vor etlichen Jahren von Dr. Barney gekauft und für die sie in der ganzen Zeit nebenbei als Gerichtsmedizinerin
gearbeitet hatte, damit sie sich diesen Arbeitsplatz überhaupt leisten konnte. Das Schild war ausgebleicht, die Treppe brauchte einen neuen Anstrich, und die Seitentür klemmte an warmen Tagen, aber die Klinik gehörte ihr. Ihr allein.
    Sie stieg aus und sperrte die Vordertür mit ihrem Schlüssel auf. Letzte Woche hatte sie die Klinik geschlossen, aus Wut auf die Patienten, die Freigabeerklärungen unterzeichnet hatten, weil sie hofften, abkassieren zu können, und aus Wut auf die Stadt, die sie verraten hatte. Sie sahen in Sara nichts anderes als einen Goldesel, als wäre sie nur ein Schlüssel, der ihnen den Zugriff auf die Millionen in den Truhen der Versicherung ermöglichte. Keiner bedachte die Konsequenzen dieses Zertrümmerns und Abkassierens, die Tatsache, dass die Prämien für Kunstfehlerversicherungen in die Höhe schnellen würden, dass Ärzte ihre Praxen

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