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Unwiederbringlich

Unwiederbringlich

Titel: Unwiederbringlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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und Sie sind es nicht mehr, und so war es nicht an mir, Ihnen Moral zu predigen und Sie, während ich mich hier langweilte, mit ängstlicher Sorgfalt auf dem Tugendpfade zu halten; – das war nicht meine Sache, das war Ihre. Meine Schuld bestreit ich, und wenn es doch so was war (und es mag darum sein), nun, so hab ich nicht Lust, diese Schuld zu verzehn- und zu verhundertfachen und aus einem bloßen Schuldchen eine wirkliche Schuld zu machen, eine, die ich selber dafür halte.«
    In Holk drehte sich alles im Kreise.
Das
also war sein erträumtes Glück! Als er sich zu diesem Gang anschickte, war er wohl von einem unsicheren und quälenden Gefühl erfüllt gewesen, von der Frage, was die Welt, die Kinder, die sich notwendig ihm entfremden mußten, und über kurz oder lang vielleicht auch sein eigenes Herz dazu sagen würde.
Das
hatte vor seiner Seele gestanden, aber auch das nur allein. Und nun ein Korb, der rundesten einer, sein Antrag abgelehnt und seine Liebe zurückgewiesen, und das alles mit einer Entschiedenheit, die jeden Versuch einer weiteren Werbung ausschloß. Und wenn er wenigstens in einer plötzlich erwachten Empörung etwas wie ein Gegengewicht in sich hätte finden können; aber auch das blieb ihm versagt, so völlig, daß er sie, während sie so dastand und ihn durch ihren überheblichen Ton vernichtete, bezaubernder fand denn je.
    »So schließt denn alles«, nahm er nach einer kurzen Pause das Wort, »mit einer Demütigung für mich ab, mit einer Demütigung, die zum Überfluß auch noch den Fluch der Lächerlichkeit trägt; – alles nur pour passer le temps. Alles nur ein Triumph Ihrer Eitelkeit. Ich muß es hinnehmen und mich Ihrem neuen Willen unterwerfen. Aber in einem, Ebba, kann ich Ihnen nicht zu Diensten sein; ich kann nicht erkennen, daß mir eine Pflicht vorlag, den Ernst Ihrer Gefühle zu bezweifeln; im Gegenteil, ich glaubte den Glauben daran haben zu dürfen, und ich glaub es noch. Sie sind einfach andern Sinnes geworden und haben sich – ich habe nicht nach den Gründen zu forschen – inzwischen entschlossen, es lieber ein Spiel sein zu lassen. Nun denn, wenn es ein solches war und nur ein solches, und Sie sagen es ja, so haben Sie gut gespielt.«
    Und sich gegen Ebba verbeugend, verließ er das Zimmer. Draußen stand Karin, die gehorcht hatte. Sie sprach kein Wort, ganz gegen ihre Gewohnheit, aber ihre Haltung, während sie Holk durch den langen Korridor hin begleitete, zeigte deutlich, daß sie das Tun ihrer Herrin mißbilligte. Sie hielt eben zu dem Grafen, auf dessen Gütigkeit und wohl auch Schwäche sie manchen Zukunftsplan aufgebaut haben mochte.
     

Einunddreißigstes Kapitel
     
    Nahezu anderthalb Jahre waren seitdem vergangen, Ende Mai war, und die Londoner Squares boten das hübsche Bild, das sie zur Pfingstzeit immer zu bieten pflegen. Das galt im besonderen auch von Tavistock-Square; der eingegitterte, sorglich bewässerte Rasen zeigte das frischeste Frühlingsgrün, die Fliederbüsche standen in Blütenpracht, und die gelben Rispen des Goldregens hingen über das Gitter fort in die breite, dicht daran vorüberführende Straße hinein.
    Es war ein reizendes Bild, und dieses Bildes freute sich auch Holk, der in einem alten, übrigens sehr wohlerhaltenen und in seiner doppelten Front von einem Balkon umgebenen Eckhause die Zimmer des ersten Stocks innehatte. Er liebte diese Gegend noch aus der nun zwanzig Jahre zurückliegenden Zeit her, wo er, als junger Attaché der dänischen Gesandtschaft, in eben diesem Stadtteile gewohnt hatte, und nahm es, als er im Laufe des letzten Novembers in London eintraf, als ein gutes Zeichen, daß es ihm gelungen war, gerade hier eine ihm zusagende Wohnung zu finden.
    Ja, seit November war Holk in London, nachdem er bis dahin in der Welt umhergefahren und an all den berühmten Schönheitsplätzen gewesen war, an denen jahraus, jahrein viele Tausende Zerstreuung suchen, um schließlich die Wahrnehmung zu machen, daß auch das ödeste Daheim immer noch besser ist als das wechselvolle Draußen. Er hatte sich nach schriftlicher Verabschiedung von der Prinzessin und nach einem ausführlichen und herzlichen Briefe an Arne, den er anrief, ihn in diesen schweren Tagen nicht verlassen zu wollen, erst nach Brüssel und dann nach Paris begeben, aber so wenig zu seiner Zufriedenheit, daß er um Ostern bereits in Rom und einige Wochen später auch schon in Sorrent eingetroffen war, in demselben Sorrent, in dem er gehofft hatte mit Ebba glückliche

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