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Unwiederbringlich

Unwiederbringlich

Titel: Unwiederbringlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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mir jetzt auf der Seele...«
    Die Dobschütz wollte weiter beruhigen, aber Philipp kam und übergab einen Brief, den ein Bote von Arnewiek her eben überbracht hatte. Die Gräfin nahm an, daß er von ihrem Bruder sei, als sie aber die Aufschrift überflog, sah sie, daß er von Schwarzkoppen kam. Und nun las sie:
     
    »Gnädigste Frau. Ich habe mich seit vorgestern eingehender mit der zwischen uns verhandelten Frage beschäftigt und bin die Reihe der Erziehungsinstitute durchgegangen, die für Axel in Betracht kommen können. Einige der besten sind zu streng, nicht bloß in der Disziplin, sondern wohl auch kirchlich, und so möchte ich denn annehmen, daß das Bunzlauer Pädagogium den zu stellenden Anforderungen am meisten entspricht. Ich kenne den Vorstand und würde mir die Erlaubnis, in dieser Angelegenheit ein paar einführende Worte an denselben schreiben zu dürfen, zur Ehre schätzen. Außerdem ist Gnadenfrei verhältnismäßig nah, so daß die Geschwister sich öfter sehen, auch die Sommerferienreise gemeinschaftlich machen können. Gnädigste Gräfin, in vorzüglicher Ergebenheit
    Ihr Schwarzkoppen«
     
    »Nun, Julie, das trifft sich gut. Ich verlasse mich in dieser Frage ganz auf unseren Freund drüben, und Holk hat mir ja freie Hand gegeben. Wie gut, daß wir nun etwas vorhaben. Heute noch schreiben wir auf, was jedes der Kinder braucht, es wird eine Welt von Sachen sein. Und dann kommt die Reise, und du mußt uns natürlich begleiten. Ich freue mich von ganzem Herzen, und du wirst es auch, mein geliebtes Gnadenfrei wiederzusehen. Und wenn ich dann daran denke, wie mein Bruder, ach, lang ist's her, mich von dort abholte und Holk mit ihm... Fast war es wie der Leuchtturm, von dem Kapitän Brödstedt seine Bornholmerin herunterholte. Nun, ein Leuchtturm war es gewiß, für dich und mich, ein Licht fürs Leben und hoffentlich bis in den Tod.«
     
Zehntes Kapitel
     
    Die Dampfschiffahrt ging gut, und es war noch nicht neun Uhr abends heran, als der »König Christian« zwischen Nyholm und Tolboden in den Kopenhagener Hafen einbog. Holk stand auf Deck und genoß eines herrlichen Anblickes; über ihm funkelten die Sterne in fast schon winterlicher Klarheit, und mit ihnen zugleich spiegelten sich die Uferlichter in der schimmernden Wasserfläche. Schiffsvolk und Kommissionäre drängten sich heran, die Kutscher hoben ihre Peitschen und warteten eines zustimmenden Winkes, Holk aber, der es vorzog, die wenigen hundert Schritte bis zur Dronningens-Tvergade zu Fuß zu machen, lehnte alle Dienste ab und gab dem Schiffssteward nur Weisung, ihm sein Gepäck so bald wie möglich bis in die Wohnung der Witwe Hansen zu schicken. Dann ging er, nach einem freundlichen Abschiede vom Kapitän, das Bollwerk entlang, erst auf den Sankt-Annen-Platz und von hier aus in kurzer Biegung auf die Dronningens-Tvergade zu, wo gleich links das zweistöckige Haus der Witwe Hansen gelegen war. Als er hier, nach wenigen Minuten, von der anderen Seite der Straße her seiner Wohnung ansichtig wurde, sah er musternd hinüber und freute sich des sauberen und anheimelnden Eindrucks, den das Ganze machte. Der erste Stock, in dem sich seine zwei Zimmer befanden, war schon erleuchtet, und die Schiebefenster, um frische Luft einzulassen, waren ein wenig geöffnet. »Ich wette, es brennt auch ein Feuer im Kamin. Ein Ideal von einer Wirtin.« Unter diesen Betrachtungen schritt er über den Damm auf das Haus zu und tat mit dem Klopfer einen guten Schlag, nicht zu laut und nicht zu leise. Gleich danach wurde denn auch geöffnet, und Witwe Hansen in Person, eine noch hübsche Frau von beinah fünfzig, begrüßte den Grafen mit einer Art Herzlichkeit und sprach ihm ihre Freude aus, ihn noch in diesem Jahre wiederzusehen, während sie doch frühestens von Neujahr an darauf gerechnet habe. »Daß Baron Bille, der doch kein Kind mehr, auch gerade die Masern kriegen mußte! Aber so ist es im Leben, dem einen sein Schad ist dem anderen sein Nutz.«
    Unter diesen Worten war die Wirtin in den Flur zurückgetreten, um, vorangehend, dem Grafen hinaufzuleuchten. Dieser folgte denn auch. Unten an der Treppe aber blieb er einen Augenblick stehen, was, nach dem Anblick, der sich ihm bot, kaum ausbleiben konnte. Die zweite Hälfte des nur schmalen Hausflures lag nach hinten zu wie in Nacht, ganz zuletzt aber, da, wo mutmaßlich eine zur Küche führende Tür aufstand, fiel ein Lichtschein in den dunklen Flur hinein, und in diesem Lichtscheine stand eine junge Frau,

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