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Unwiederbringlich

Unwiederbringlich

Titel: Unwiederbringlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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altnordischen Trinkgefäßen beinah phantastisch geschmückte Prunktafel noch gesteigert wurde. Schmuck überall, geschmückt auch die Wände. Da, wo sich die hohen Paneele mit den breiten Barockrahmen der Wandbilder berührten, hingen Mistel- und Ebereschenbündel an Girlanden von Eichenlaub, während eine quer durch die Halle gezogene Wand von Zypressen und jungen Tannenbäumen den dunklen Hinterraum von dem festlich hergerichteten Vorderraum abtrennte. Das Ganze, soviel war augenscheinlich, sollte den Weihnachtscharakter tragen oder, wie die Prinzessin sich ausgedrückt hatte, wenigstens ein Vorspiel zum Julfeste sein. Orangen, in fast überreicher Zahl, waren überall in das Tannengezweige gehängt, und kleine wächserne Christengel schwenkten ihre Fahne, während über das blitzende weiße Tischtuch hin Stechpalmenzweige lagen mit roten Beeren daran.
     
    Und nun forderte die Prinzessin die Geladenen durch eine gnädige Handbewegung auf, ihre Plätze zu nehmen. Minutenlang verblieben alle schweigend oder kamen über ein Flüstern nicht hinaus; als aber das erste Glas Cyper geleert war, war auch die fröhliche Laune wieder da, die diesen kleinen Kreis auszeichnete. Jeder, nach voraufgegangener Aufforderung der Prinzessin, ließ sich's zunächst angelegen sein, über seine Schicksale während der letzten Sturmnacht zu berichten, und alle waren einig darin, daß das schöne Schloß, darin nur leider alle Fenster klapperten und in dem man in jedem Augenblicke fürchten müsse, von einem Nordwester gepackt und weggeweht zu werden, doch mehr ein Sommer- als ein Winterschloß sei. »Ja«, sagte die Prinzessin, »das ist leider so, davon kann ich mein liebes Frederiksborg nicht freisprechen; und was fast noch schlimmer ist, ich kann auch nichts dagegen tun und muß eben alles lassen, wie's ist.« Und nun erzählte sie mit der ihr eigenen Jovialität, wie sie, vor Jahr und Tag schon, einen feierlichen Antrag auf »schließende Türen und Fenster« gestellt habe, was ihr aber von der betreffenden Verwaltungs-oder Baukommission rund abgeschlagen worden sei, weil die Bewohnbarkeit des Schlosses oder doch wenigstens die Brauchbarkeit der Kamine mit dem Fortbestand undichter Fenster im nächsten Zusammenhange stehe; schließende Fenster würden gleichbedeutend sein mit Kaminen, die nicht brennen. »Und seitdem ich das weiß, hab ich mich in mein Schicksal ergeben; ja nach allem, was ich bei der Gelegenheit gehört habe, will ich noch froh sein, wenn wir durch einen fortgesetzten guten Tür- und Fensterzug vor verstopften Feueressen und allen sich daraus ergebenden Fährlichkeiten bewahrt bleiben. Offen gestanden, mitunter steh ich unter der Furcht, es könne mal so was kommen. In den Schornsteinen hierherum wird es schlimm genug aussehen, und speziell in dem unsrigen vermut ich eine Rußkruste womöglich noch aus König Christians Zeiten her.«
    Es war nach Nennung des Namens »König Christian« so gut wie selbstverständlich, daß sich das Gespräch den Frederiksborger Tagen dieses dänischen Lieblingskönigs zuwenden mußte, von dem Schleppegrell, fast noch selbstverständlicher, eine Fülle von Lokalanekdoten sofort zur Stelle hatte. Nach einiger Zeit aber unterbrach Holk und sagte: »Da stecken wir nun schon eine Viertelstunde lang in König-Christian-Anekdoten und haben immer noch nicht die Geschichte von dem Stein draußen gehört mit seiner Namensinschrift und seiner Jahreszahl 1628. Was ist es damit? Sie haben uns draußen im Park versprochen...«
    Schleppegrell wiegte den Kopf zweifelnd hin und her. »Allerdings«, nahm er das Wort, »hab ich davon erzählen wollen. Aber es ist nicht viel damit und wird Sie mutmaßlich enttäuschen. Man erzählt sich nämlich, es sei der Stein, wo Christian IV., als er, nach seinem Regierungsantritt, den großen Umbau des Schlosses zu leiten begann, gleich am ersten Samstage die Arbeiter um sich versammelt und ihnen allerpersönlichst den Wochenlohn ausgezahlt habe.«
    »Das ist alles?«
    »Ja«, sagte Schleppegrell.
    Ebba aber wollte davon nichts wissen. »Nein, Pastor Schleppegrell, so leichten Kaufs kommen Sie nicht los; was Sie da sagen, das kann einfach nicht sein. Sie vergessen, daß jeder, der sich herauswinden oder andere hinters Licht führen will, vor allem ein gutes Gedächtnis haben muß. Es ist noch keine zwei Stunden, daß wir aus Ihrem Munde gehört, Sie würden von dem Stein erzählen, wenn die Prinzessin ihre Zustimmung dazu gäbe. Nun, Sie werden doch nicht

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