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Unwiederbringlich

Unwiederbringlich

Titel: Unwiederbringlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Abschrift von ihrer Hand sei, das sei doch wohl sicher.
    »Ja«, sagte sie. »Man muß sich untereinander helfen, das ist eigentlich das Beste von der Ehe. Sich helfen und unterstützen und vor allem nachsichtig sein und sich in das Recht des andern einleben. Denn was ist Recht? Es schwankt eigentlich immer. Aber Nachgiebigkeit, einem guten Menschen gegenüber, ist immer recht.«
    Holk schwieg. Die kleine Frau sprach noch so weiter, ohne jede Ahnung davon, welche Bilder sie heraufbeschwor und welche Betrachtungen sie in ihm angeregt hatte. Die Sonne, die frühmorgens so hell geschienen, war wieder fort, der Wind hatte sich abermals gedreht, und ein feines Grau bedeckte den Himmel; aber gerade diese Beleuchtung ließ die Baumgruppen, die sich über die große Parkwiese hin verteilten, in um so wundervollerer Klarheit erscheinen. Die Luft war weich und erfrischend zugleich, und am Abhang einer windgeschützten Terrasse gewahrte man allerlei Beete mit Spätastern; überall aber, wo die Parkwiese tiefere Stellen hatte, zeigten sich große und kleine Teiche, mit Kiosks und Pavillons am Ufer, von deren phantastischen Dächern allerlei blattloses Gezweige herniederhing. Überhaupt alles kahl. Nur die Platanen hielten ihr Laub noch fest, aber jeder stärkere Windstoß, der kam, löste etliche von den großen gelben Blättern und streute sie weit über Weg und Wiese hin. In nicht allzu großer Entfernung vom Schloß lief ein breiter Graben, über den verschiedene Birkenbrücken führten; gerade an dem Punkt aber, wo Schleppegrell, an der Spitze der andern, den Grabenrand erreichte, fehlte jeder Brückensteg, und statt dessen war eine Fähre da, mit einem zwischen hüben und drüben ausgespannten Seil, an dem entlang man das Flachboot mühelos hinüberzog. Als man drüben war, war es nur noch eine kleine Strecke bis an einen aufgeschütteten Hügel, von dem aus man, nach Schleppegrells Versicherung, einen gleich freien Blick nach Norden hin auf Schloß Fredensborg und nach Süden hin auf Schloß Frederiksborg habe. Und diesen Punkt wollte man erreichen. Aber mit Rücksicht auf die knapp zugemessene Zeit mußte dieses Ziel sehr bald aufgegeben und sogar ein näherer Rückweg eingeschlagen werden.
    Holk war bis dahin keinen Augenblick von der Seite der Frau Pastorin gewichen, als man aber die Fähre zum zweiten Mal passiert und das andre Ufer wiedergewonnen hatte, wechselte man mit den Damen, und während Erichsen der Pastorin den Arm bot, folgten Holk und Ebba, die bis dahin kaum noch Gelegenheit zu einem Begrüßungsworte gefunden hatten, in immer größer werdender Entfernung.
    »Ich glaubte schon ganz ein Opfer Ihrer neuesten Neigung zu sein«, sagte Ebba. »Ein gefährliches Paar, diese Schleppegrells; gestern
er
, heute
sie

    »Ach, meine Gnädigste, nichts Schmeichelhafteres für mich, als mir eine derartige Don-Juan-Rolle zugewiesen zu sehen.«
    »Und um welcher Zerline willen! Eigentlich Zerlinens Großtante. Wovon hat sie mit Ihnen gesprochen? Es ging ja, soviel ich sehen konnte, wie eine Mühle...«
    »Nun, von allerlei; von Hilleröd und seinem winterlichen Leben, und daß sich die Stadt in eine Ressourcen- und eine Kasino-Hälfte teile. Man konnte beinah glauben, in Deutschland zu sein. Übrigens eine charmante kleine Frau, voller bon sens, aber doch auch wieder von einer großen Einfachheit und Enge, so daß ich nicht recht weiß, wie der Pastor mit ihr auskommt, und noch weniger, wie die Prinzessin ihre Stunden so mit ihr hinplaudert.«
    Ebba lachte. »Wie wenig Sie doch Bescheid wissen. Man merkt an allem, daß Sie nur alle Jubeljahr einmal eine Fühlung mit Prinzessinnen haben. Glauben Sie mir, es ist nichts so nichtig, daß es nicht eine Prinzessin interessieren könnte. Je mehr Klatsch, desto besser. Tom Jensen war in Indien und hat eine Schwarze geheiratet, und die Töchter sind alle schwarz, und die Söhne sind alle weiß; oder Apotheker Brodersen hat seine Frau vergiftet, es heißt mit Nikotin; oder Forstgehülfe Holmsen, als er gestern abend aus Liebchens Fenster stieg, ist in eine Kalkgrube gefallen – ich kann Ihnen versichern, dergleichen interessiert unsre Prinzessin mehr als die ganze schleswig-holsteinsche Frage, trotzdem einige behaupten, sie sei die Seele davon.«
    »Ach, Ebba, Sie sagen das so hin, weil Sie moquant sind und sich darin gefallen, alles auf die Spitze zu treiben.«
    »Ich will das hinnehmen, weil es mir lieber ist, ich bin so, als das Gegenteil davon. Gut also, ich bin moquant

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