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Unwiederbringlich

Unwiederbringlich

Titel: Unwiederbringlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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schon mitgeteilt haben wird, ist leidend, ernst und nicht ernst, wie Du's nehmen willst. Sie braucht weder nach Karlsbad noch nach Nizza geschickt zu werden, aber doch ist sie krank, krank im Gemüt. Und daran, lieber Holk, bist Du schuld. Was sind das für Briefe, die Du nun schon seit sechs Wochen schreibst oder, fast ließe sich sagen, auch nicht schreibst. Ich verstehe Dich nicht, und wenn ich Dir, von Anbeginn unserer Freundschaft an, immer vorgeworfen habe: ›Du kenntest die Frauen nicht‹, so muß ich jetzt alles Scherzhafte, was sich früher bei dieser Bemerkung mit einmischte, daraus streichen und Dir im bittersten Ernste sagen: Du verstehst die Frauen wirklich nicht, am wenigsten aber Deine eigene, meine teure Christine.
Unsere
teure Christine wage ich, bei der Haltung, die Du zeigst, kaum noch zu sagen. Ich sehe nun freilich deutlich, wie Du hier ungeduldig wirst und nicht übel Lust hast, gerade mich als den Anstifter und Begründer all der Behandlungssonderbarkeiten zu verklagen, in denen Du Dich seit Deiner Abreise von Holkenäs mit ebensoviel Virtuosität wie Konsequenz ergehst. Und wenn Du Dich mir und meinen früheren Ratschlägen gegenüber durchaus auf Deinen Schein stellen willst, so kann ich Dir ein bestimmtes Recht dazu nicht absprechen. Ja, es ist richtig, ich habe Dir mehr als einmal zu dem Wege geraten, den Du nun eingeschlagen hast. Aber, mein lieber Schwager, muß ich Dir zurufen: est modus in rebus? Muß ich Dich darauf aufmerksam machen, daß in all unserem Tun das
Maß
entscheidet und daß der klügste Rat, Pardon, daß ich den meinigen darunter zu verstehen scheine, sicherlich in sein Gegenteil verkehrt wird, wenn der, der ihn befolgt, das richtige Maß nicht hält und den Bogen einfach überspannt? Und das hast Du getan und tust es noch. Ich habe Dich beschworen, Christinens Eigenwillen gegenüber auf der Hut zu sein und ihrem Herrschergelüste, das sich hinter ihrer Kirchlichkeit verbirgt und zugleich immer neue Kraft daraus saugt, energisch entgegenzutreten, und ich habe Dir, so ganz nebenher, auch wohl den Rat gegeben, es mit Eifersucht zu versuchen und in Deiner Frau, meiner geliebten Schwester, die Vorstellung zu wecken: auch der sicherste Besitz sei nicht unerschütterlich sicher und auch der beste Mann könne seine schwache Stunde haben. Ja, lieber Holk, in diesem Sinne habe ich zu Dir gesprochen, nicht leichtfertig, sondern, wenn mir der Ausdruck gestattet ist, aus einer gewissen pädagogischen Erwägung, und ich bedaure nichts davon und habe auch nicht nötig, irgendwas davon zurückzunehmen. Aber was hast Du nun in Anwendung dieser, glaub ich, richtigen Sätze tatsächlich daraus gemacht? Aus Prickeleien, die vielleicht gut gewesen wären, sind Verletzungen, aus Nadelstichen sind giftige Pfeile geworden, und, was schlimmer ist als alles, an die Stelle einer gewissen Zurückhaltung, der man den Kampf und die Mühe der Durchführung hätte ansehen müssen, an die Stelle solcher Zurückhaltung ist Nüchternheit getreten und ein nicht immer glückliches, weil forciertes Bestreben, diese Nüchternheit hinter Stadtklatsch- und Hofklatschgeschichten zu verbergen. Ich habe Deine Briefe gelesen – es waren ihrer nicht allzuviel, und keinen einzigen traf der Vorwurf, zu lang gewesen zu sein –, aber die Hälfte dieser wenigen beschäftigt sich mit der märchenhaften Schönheit der doch mindestens etwas sonderbaren Frau Brigitte Hansen und die zweite Hälfte mit den Geistreichigkeiten des ebenfalls etwas sonderbaren Fräulein Ebba von Rosenberg. Für Deine Frau, Deine Kinder hast Du während dieser langen Zeit keine zwanzig Zeilen gehabt, immer nur Fragen, denen man abfühlte, daß sie nach Antwort nicht sonderlich begierig waren. Ich glaube, lieber Holk, daß es genügt, Dich auf all das einfach aufmerksam gemacht zu haben. Du bist zu gerecht, um Dich gegen das Recht der hier vorgebrachten Klage zu verschließen, und bist zu gütigen und edlen Herzens, um, wenn Du das Recht dieser Klage zugestanden hast, nicht auf der Stelle für Abhülfe zu sorgen. Die Stunde, wo solcher Brief auf Holkenäs eintrifft, wird zugleich die Stunde von Christinens Genesung sein; laß mich hoffen, daß sie nahe liegt. Wie immer Dein Dir treu und herzlich ergebener Schwager
    Alfred Arne«
     
    Holk war so getroffen von dem Inhalt dieses Briefes, daß er darauf verzichtete, die beiden andern zu lesen. Petersen schrieb vielleicht ähnliches. Zudem war die Stunde da, wo er bei der Prinzessin erscheinen

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