Unwiederbringlich
mußte, vor der er ohnehin fürchtete seine Erregung nicht recht verbergen zu können. Und er wäre auch wirklich damit gescheitert, wenn bei seinem Erscheinen alles wie sonst und die Prinzessin bei freiem Blick gewesen wäre. Dies war aber nicht der Fall, weil der Prinzessin selber inzwischen ein Brief zugegangen war, der ihr Gemüt gefangennahm und ihr die Fähigkeit raubte, sich um Holks Benommenheit zu kümmern.
Vierundzwanzigstes Kapitel
Der bei der Prinzessin eingetroffene Brief war ein Brief des Kammerherrn Baron Blixen-Finecke und lautete:
»Eurer Königl. Hoheit in aller Eile die gehorsamste Mitteilung, daß Se. Majestät der König, der heute noch von Glücksburg nach Kopenhagen zurückkehrt, mit der Absicht umgeht, die nächsten Wochen in Schloß Frederiksborg zu verbringen, wahrscheinlich bis Neujahr; jedenfalls gedenkt er das Weihnachtsfest daselbst zu feiern. Es werden ihn nur wenige Personen aus seiner nächsten Umgebung begleiten: Oberst du Plat vielleicht, Kapitän Westergaard und Kapitän Lundbye gewiß. Ich hielt es für angezeigt, Eure Königl. Hoheit von diesem Entschlusse Sr. Majestät in Kenntnis zu setzen.
Eurer Königl. Hoheit untertänigster
Blixen-Finecke«
Der erste Gedanke nach Lesung dieser Zeilen war gewesen, das Feld zu räumen und noch vor Eintreffen des Königs, also womöglich noch vor Ablauf der nächsten vierundzwanzig Stunden, nach Kopenhagen zurückzukehren. War der König erst da, so war solcher Rückzug, wenn nicht unmöglich, so doch sehr erschwert, weil, bei den persönlich guten Beziehungen zwischen Neffen und Tante, zu klar zutage getreten wäre, daß die Prinzessin nur vermeiden wolle, mit der von ihr gehaßten Gräfin Danner unter einem Dache zu sein. Also rasches Entschließen war unerläßlich und »Abreise oder nicht« die Frage, die den um die Prinzessin versammelten Kreis beschäftigte, vor allem Ebba, die mehr Hoffnungen als Befürchtungen an die Möglichkeit einer raschen Rückkehr knüpfte. Denn einen so fein ausgebildeten Natursinn sie hatte und so gut ihr Schleppegrell, trotz gelegentlicher Auflehnung gegen ihn und seine ewige Altertümlerei, gefiel, so war ihr alles in allem die Hauptstadt, wo man die Neuigkeiten sechs Stunden früher und außerdem abends eine Theaterloge hatte, doch um ein erhebliches lieber. Die große Frederiksborger Halle war in ihrer Art ein Prachtstück, gewiß, und wenn die Lichter und Schatten an Wand und Decke hinliefen, so hatte das seine Romantik und seinen kleinen Schauer; aber man konnte doch nicht sechs Stunden lang, von Dunkelwerden bis Schlafenszeit, mit immer gleichem Interesse nach Herluf Trolle hinüberblicken und noch weniger auf die große Seeschlacht und den in die Luft fliegenden »Makellos«.
Ja, die Rückkehr, wenn die Entscheidung bei Ebba gelegen hätte, wäre rasch beschlossen worden; die Prinzessin aber, die schon aus Aberglauben von einem Platze nicht gern fort wollte, den sie sich durch Jahrzehnte hin als ihren Weihnachtsplatz anzusehen gewöhnt hatte, verharrte, ganz gegen ihren sonstigen Charakter, in einer gewissen Unschlüssigkeit und war froh, als Holk bemerkte: »Verzeihung, Königliche Hoheit, aber steht es denn überhaupt fest, daß die Gräfin den König begleiten wird? Seine Majestät, soviel ich weiß, ist voll Rücksicht gegen Eure Königliche Hoheit und kennt nicht nur Dero Gefühle, sondern respektiert sie auch. Er läßt sich dadurch in seiner Neigung nicht beirren und kann auch nicht, wenn das Volk recht hat, das an eine Art Hexenzauber glaubt, worin ihn die Danner eingesponnen; aber er kann in seiner Neigung durchaus beharren und die Gräfin doch drüben in Skodsborg belassen. Er besucht sie dann jeden Tag, was ihm vielleicht noch besser behagt, als sie von Morgen bis Abend um sich zu haben. Denn jede Stunde sie mit Liebesaugen anzusehen, wenn es solche Zeiten überhaupt für ihn gegeben hat – das sind doch wohl Tempi passati.«
»Wer weiß«, lachte die Prinzessin. »Sie sehen, lieber Holk, in dem Behextsein etwas wie etwa das intermittierende Fieber und glauben an freie Tage. Das leuchtet mir aber nicht ein. Ein richtiger Zauber pausiert nicht und setzt nicht aus. Gib mir übrigens, liebe Ebba, noch einmal Blixen-Fineckes Brief herüber; ich will genau lesen, was er schreibt. Er ist der Mann des vorsichtigen Ausdrucks.«
Ebba brachte den Brief, und die Prinzessin las: »›... es werden ihn nur wenige Personen aus seiner nächsten Umgebung begleiten, Oberst du Plat
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