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Unwiederbringlich

Unwiederbringlich

Titel: Unwiederbringlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Prinzessin aber nahm die Sache ganz ernsthaft, fast so ernsthaft wie Schleppegrell, und sagte: ›Grundtvig ist ein bedeutender Mann und so recht angetan, ein Dänenstolz zu sein. Aber einen Fehler hat er doch, er muß immer etwas Apartes haben und sich von dem Rest der Menschheit, auch selbst der dänischen, unterscheiden, und wiewohl ihm nachgesagt wird, er stelle Dänemark so hoch, daß er ganz ernsthaft glaube, der liebe Gott spräche dänisch, so bin ich doch sicher, daß er von dem Tag an, wo dies ganz allgemein feststände, mit allem Nachdruck behaupten und beweisen würde: der liebe Gott spräche preußisch. Grundtvig kann nicht ertragen, mit irgend jemandem in Übereinstimmung zu sein.‹ Hieraus, liebe Dobschütz, spricht ganz und gar der Ton unserer Tisch- und Abendunterhaltungen, und ich füge diese kleine Geschichte meinem Briefe mit allem Vorbedacht hinzu, weil ich weiß, wie sich Christine für Pastoralanekdoten und theologische Streitigkeiten interessiert. Und die Frage nach der Intimsprache Gottes kann vielleicht dafür gelten. Nochmals die herzlichsten Grüße. An Christine schreibe ich morgen, wenn auch nur einige Zeilen.«
    Er couvertierte nun diesen Brief an die Dobschütz, zugleich die beiden andern an Asta und Axel und war eben damit fertig, als es klopfte. »Herein.« Aber das Klopfen wiederholte sich nur, so daß Holk aufstand, um zu sehen, was es sei. Draußen stand Karin, die verlegen vor sich hin sah, trotzdem Verlegenheit zu den letzten ihrer Eigenschaften zählte. Sie behändigte Holk einige Zeitungen und Briefe, die der Postbote, der sehr eilig gewesen, um Zeitersparnisses willen unten beim gnädigen Fräulein mit abgegeben habe. Das gnädige Fräulein lasse sich dem Herrn Grafen empfehlen und habe vor, mit Baron Pentz einen Spaziergang zu dem »Stein« im Park zu machen – der Herr Graf wüßten schon, bis zu welchem Stein. Holk lächelte, ließ sich entschuldigen und nahm dann seinen Platz wieder ein, um zu sehen, was die neueste Post gebracht habe. Die Zeitungen, die bei der momentan herrschenden politischen Windstille wenig versprachen, schob er beiseite und musterte dabei schon die Handschriften der eingetroffenen Briefe. Sie ließen sich alle leicht erkennen; das war die des alten Petersen, das die seines Gärtners und diese hier die Handschrift Arnes, seines Schwagers. Der Poststempel »Arnewiek« bestätigte nur.
    »Von Alfred? Was will er? Er faßt doch sonst die Machtvollkommenheiten seiner Majordomusschaft weitgehend genug auf, um mich durch Anfragen nicht groß zu stören. Und ein wahres Glück, daß er so verfährt und überhaupt so ist, wie er ist. Ich habe nicht Lust, mich hier um Wollpreise zu kümmern oder um die Frage, wieviel Fetthämmel nach England verladen werden sollen. Das ist seine Sache beziehungsweise Christinens, und beide verstehen es außerdem viel besser als ich; die Arnes waren immer Agrikulturgrößen, was ich von den Holks eigentlich nicht sagen kann; ich meinerseits habe immer nur den Anlauf dazu genommen. Also was will er? Aber wozu mir den Kopf mit Vermutungen zerbrechen.« Und dabei nahm er den Brief und schnitt ihn mit einem kleinen Elfenbeinmesser auf, aber langsam, denn er stand unter einem Vorgefühl, daß ihm der Brief nicht viel Erfreuliches bringen werde.
    Und nun las er:
     
    »Lieber Holk! Ich unterlasse es, wie Du weißt, grundsätzlich, Dir, in Deinen Kopenhagener Tagen, mit wirtschaftlichen Angelegenheiten aus Holkenäs beschwerlich zu fallen. Es war auch bisher nie nötig, da Dein liebenswürdiger Charakter es leicht macht, an Deiner Stelle zu regieren; Du hast nicht bloß die glückliche Gabe, mit dem, was andre tun, einverstanden zu sein, sondern die noch glücklichere, wenn der Ausnahmefall mal eintritt, fünf gerade sein zu lassen. Und um es gleich vorweg zu sagen, ich schreibe Dir auch heute nicht um pressanter wirtschaftlicher Dinge willen und habe noch weniger vor, ganz allgemein auf meine Lieblingspläne zurückzukommen, die, wie Du weißt, dahin gehen: lieber Shorthorns als Oldenburger (die Milchwirtschaft hat sich überlebt) und lieber Southdowns als Rambouillet. Was soll uns noch die Wollproduktion? Ein längst überwundener Standpunkt, der für die Lüneburger Heide passen mag, aber nicht für uns. Der Londoner Cattle-Market,
der
allein ist es, der für Güter wie die unsrigen in Betracht kommt. Meat, meat! Aber nichts mehr davon. Ich schreibe Dir wegen wichtigerer Dinge, wegen Christine. Christine, wie Dir die Dobschütz

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