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Unwiederbringlich

Unwiederbringlich

Titel: Unwiederbringlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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würde seine Schwester zu solcher Kränkung sagen, die gute kleine Pastorin, die ihn für so berühmt hält wie Boerhaave und ganz aufrichtig denkt, daß man die alte Geschichte wiederbeleben und mit voller Sicherheit des Eintreffens vom Nord- oder Südpol aus an ihn schreiben könnte: ›An Dr. Bie in Europa‹.«
     
    Die Krankheit der Prinzessin, so wenig gefährlich sie war, zog sich hin. Der König, inzwischen eingetroffen, hatte mit den Personen seiner nächsten Umgebung den linken Flügel bezogen und beschränkte sich, was die Prinzessin anging, darauf, sich jeden Tag nach dem Befinden derselben erkundigen zu lassen. Sonst wurde man seiner kaum gewahr, was teils mit seiner häufigen Anwesenheit drüben in Skodsborg, teils mit seiner Lebensweise zusammenhing. Er liebte nun mal die Vergnügungen im Freien. War nicht Hetzjagd, so war Pirschjagd, und war nicht Dachsgraben, so war Graben nach Steinbetten und Moorfunden, ja mitunter war er bis Vinderöd und Arreseedal hinüber, um von dort aus, wo seine Boote lagen, auf dem großen Arre-See zu segeln.
    Holk, der die Kapitäne Westergaard und Lundbye noch von Schleswig und Flensburg her, wo sie vorübergehend in Garnison gestanden hatten, gut kannte, suchte den Verkehr mit ihnen zu erneuern, was auch gelang und ihm dann und wann ein paar vergnügliche Plauderstunden eintrug; aber wenn er dann wieder allein war und nach Holkenäs hinüberdachte, kam ihm ein Gefühl schwerer Verlegenheit und Sorge. Das ging nicht so weiter. Die Korrespondenz zwischen ihm und Christine stockte völlig; aber auch die Briefe von Petersen und Arne waren noch unerledigt. Dieser letztere wenigstens mußte beantwortet werden (schon eine Woche war seit seinem Empfange vergangen), wenn er's nicht auch mit
dem
noch verderben wollte, der allezeit sein bester Freund und Berater und vielleicht nur zu oft sein Anwalt in seinen früheren kleinen Kämpfen mit Christine gewesen war.
    Es war ein dienstfreier Tag, hell und klar, und Doktor Bie, von der Prinzessin kommend, hatte bei ihm vorgesprochen und ihn durch Hilleröder Stadtklatsch und kleine Doktorgeschichten in eine behagliche Stimmung versetzt. Diese Stimmung wollte er nicht ungenutzt vorübergehen lassen; Stimmung war schon der halbe Brief. Und was war es denn auch am Ende? Christine war eine Frau mit weniger Vergnüglichkeit als wünschenswert und mit mehr Grundsätzen als nötig; das war eine alte Geschichte, die von niemandem bestritten wurde, kaum von Christine selbst. In diesem Sinne sprach er noch eine Weile vor sich hin, und als er sich mehr und mehr in die Vorstellung hineingeredet hatte, daß alles, genau betrachtet, eine bloß aufgebauschte Geschichte sei, weil ja doch eigentlich nichts vorläge, nahm er schließlich seinen Platz am Schreibtisch und schrieb:
     
    »Lieber Arne! Sei herzlich bedankt für Deinen lieben Brief vom 23. v. M., um so herzlicher, als ich, nach so vielen Beweisen Deiner freundschaftlichen Gefühle für mich, sehr wohl weiß, daß Du, bei starker Hervorhebung Deiner Bedenken über mein Tun und Lassen, nur der Vorstellung einer Pflicht gehorchtest. Aber, lieber Arne, laß mich Dich fragen, lag eine solche Pflicht wirklich vor? Hast Du nicht, um diesmal als Christinens Anwalt (sonst warst Du der meine) das Recht Deiner Klientin gegen mich zu wahren, mich in ein Unrecht gesetzt, das gar nicht existiert? Alles Anklagematerial gegen mich ist meinen eigenen Briefen entnommen. Nun, diese Briefe liegen jetzt drüben in Holkenäs und sind mir nicht mehr in jedem Einzelpunkt gegenwärtig, aber wenn ich ihren Inhalt aus dem Gedächtnis rekapituliere, so kann ich nichts finden, was eine Beschuldigung rechtfertigte. Da sind die Hansens, und da ist das Fräulein von Rosenberg, bei deren Schilderung ich, wie ein englisches Sprüchwort sagt, ›mehr Petersilie an das Hühnchen gelegt haben mag, als unbedingt nötig war‹; aber ein solches Zuviel hätte mir entweder auf Unbefangenheit gedeutet werden müssen oder auf einen Hang, das Ridiküle durch sich selber wirken zu lassen. Ich entsinne mich, in einem meiner Briefe von einer halb märchenhaften Audienz der schönen Capitana beim Kaiser von Siam und in einem andern von dem pikanten und allerdings etwas freisinnigen Fräulein von Rosenberg als von einem ›David Straußschen Amanuensis‹ gesprochen zu haben, und nun frag ich Dich, lieber Arne, ob das Auslassungen sind, die Christinens Empfindlichkeiten und im weitern Verlauf Deine brieflichen Vorwürfe rechtfertigen. Ich

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