Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unwiederbringlich

Unwiederbringlich

Titel: Unwiederbringlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
vielleicht, Kapitän Westergaard und Kapitän Lundbye gewiß...‹ Holk hat recht; Blixen-Finecke weiß zu gut, wie wir stehen, als daß er nicht wenigstens eine Andeutung gemacht haben sollte. Die Gräfin kommt
nicht
, und mit meinem Neffen weiß ich mich gut zu stellen. Er ist eine Seele, gütig, der beste Mensch von der Welt. Jedenfalls brauchen wir nicht heute schon an Abreise zu denken. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird auch Berling noch schreiben, und der wird sich weniger diplomatisch ausdrücken als Finecke.«
     
    Wirklich, am andern Tage kam ein Billet vom Kammerherrn Berling, das zunächst die Bestätigung von dem noch bevorstehenden Eintreffen des Königs, zugleich aber, hinsichtlich der Danner, vollkommene Beruhigung brachte. Die Gräfin werde wieder, nach eigenem Wunsch, in Skodsborg Wohnung nehmen und daselbst die Besuche des Königs empfangen. Damit war der Schwankezustand, in dem man sich einen Tag lang befunden hatte, völlig beseitigt, und es stand fest, man blieb. Aber auch wenn das Entgegengesetzte beschlossen worden wäre, so würde sich doch der Ausführung dieses Beschlusses ein unübersteigliches Hindernis entgegengestellt haben: die Prinzessin erkrankte. Der Charakter der Krankheit blieb freilich unaufgeklärt, was es aber auch sein mochte (man hatte zuletzt von einem versteckten, aber gutartigen Nervenfieber gesprochen), Doktor Bie von Hilleröd sprach dreimal des Tages vor und nahm regelmäßig an dem für die Personen des Hofstaates servierten Lunch und meist auch an den anderen Tagesmahlzeiten teil. Doktor Bie war der Bruder der Frau Pastorin Schleppegrell, mit der er die kleine Figur, das Embonpoint und die klugen, freundlichen Augen gemein hatte, zugleich die Wohlgelittenheit bei der Prinzessin. Er trug einen Bambus mit Goldknopf und eine goldene Brille, die er regelmäßig abnahm, wenn er etwas sehen wollte, zählte den Puls laut, wie ein Klavierlehrer die Takte, und plauderte gern von Island und Grönland, wo er vierzehn Jahre lang Schiffsarzt gewesen war. Gegen die Residenzler war er im allgemeinen sehr eingenommen. »Es ist in Kopenhagen Sitte geworden, über die Isländer zu lachen; aber ich nenne da nur den Are Marson, der Amerika fünfhundert Jahr vor Kolumbus entdeckte, und Erik den Roten und Ulf den Schieler und seine ganze Sippe, lauter Helden und weise Männer – das alles waren Isländer, und ich beklage, daß Königliche Hoheit die Insel nie besucht haben. Es ist ein ganz eigen Gefühl, ein Ei zu essen, das im Geiser gekocht wurde, vielleicht in einem Augenblicke, wo die beiden Feuerspeier dazu leuchteten. Daß die Isländer unsere Zeitungen um zwölf Monate zu spät lesen, immer gerade die Nummern vom Jahre vorher, das ist alles eine hochmütige Kopenhagener Einbildung; die Isländer schreiben sich ihre Zeitungen selbst, können auch, denn jeden dritten Tag kommt ein englisches oder amerikanisches Schiff, und wenn in Reykjavik ein Stiftsamtmann oder auch bloß ein Sysselmann gewählt wird, so ist das geradeso interessant, wie wenn sich die Kopenhagner einen neuen Burgemeister wählen. Ach, Königliche Hoheit, ich möchte beinah sagen, es ist überhaupt kein Unterschied zwischen einem Dorf und einer Residenz; überall wohnen Menschen und hassen und lieben sich, und ob eine Sängerin eine Minute lang einen Triller schlägt oder ob ein Fiedler den ›dappren Landsoldaten‹ spielt, das macht keinen großen Unterschied, wenigstens mir nicht.« Bei solchen Betrachtungen war er der heitersten Zustimmung der Prinzessin allemal sicher, und wenn Pentz und Ebba fragten: »ob Königliche Hoheit nicht doch vielleicht Ihren Leibarzt, Doktor Wilkins, beföhlen, der ohnehin nichts zu tun habe und dann und wann daran erinnert werden müsse, daß er sein Gehalt eigentlich doch bloß für eine Sinekure bezöge«, so lehnte die Prinzessin dies ab und sagte: »Nein, am Sterben bin ich noch nicht. Und wenn ich am Sterben wäre, so würde mich Doktor Wilkins, der alles liest, aber nicht viel weiß, auch nicht zurückhalten können. Was irgend ein Mensch für mich tun kann, das tut Bie für mich, und wenn ich ihm eine halbe Stunde zugehört und während seiner Erzählungen im Rentierschlitten mit ihm gesessen oder wohl gar bei Missionar Dahlström eine rote Grütze mit ihm gegessen habe, so habe ich bei solcher Gelegenheit allemal das gehabt, was man die heilsame Gegenwart des Arztes nennt; ›medico praesente‹, so heißt es ja wohl, da ruht die Krankheit. Nein, Bie muß bleiben. Und was

Weitere Kostenlose Bücher