Unzaehmbares Verlangen
Letty das Wohnzimmer betrat.
»Ah, da bist du ja, mein Schatz«, sagte Morgan. »Wir wollten gerade eine Flasche Yakima Valley Savignon Blanc öffnen. Ich glaube, der Wein wird dir schmecken.« Er wandte sich an Joel. »Letty hat noch nicht viel Zeit hier im Nordwesten verbracht. Wir versuchen gerade, ihr unsere Eßgewohnheiten nahezubringen.«
»Ich habe schon gehört, daß man in Seattle eine Menge vom Essen versteht«, meinte Letty trocken.
Joel zuckte die Schultern. »Ich weiß nur, daß wir gern essen. Und wir essen gern gut.«
»Das hat man mir bereits gesagt. In Ordnung. Dad - ich bin bereit, deine neueste Entdeckung zu kosten.« Letty setzte sich auf die weiße Ledercouch und beobachtete Joel, der angestrengt in die Dunkelheit hinaussah.
»Das ist wirklich etwas Besonderes.« Morgan ging zu der kleinen Bar hinüber, die in einer Ecke des Wohnzimmers eingebaut war. »Mild und süffig mit einem hervorragenden Bouquet. Wirklich ein exquisiter Wein.«
Früher hätte Professor Morgan eine Flasche Wein nie als >exquisit< bezeichnet. Letty hatte sich immer noch nicht daran gewöhnt, wie sehr ihr Vater sich verändert hatte.
Allerdings mußte sie sich eingestehen, daß ihm das nicht schlecht zu Gesicht stand. Er war endlich die zehn Kilo Übergewicht losgeworden, die er mit sich herumgetragen hatte, solange Letty zurückdenken konnte. Außerdem hatte er aufgehört zu rauchen und sah gesund und glücklich aus. Selbst sein Gang schien beschwingter geworden zu sein. Es gab keinen Zweifel daran, daß ihm das Leben an der Pazifikküste gut tat.
Eigentlich freute Letty sich für ihn. Die Entscheidung, eine neue Familie zu gründen, fand sie in seinem Alter allerdings unangemessen. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, daß sie bald einen kleinen Bruder haben würde.
■ »Ich bin gleich soweit.« Morgan entkorkte geschickt die Flasche. »Eine herrliche Farbe, finden Sie nicht, Joel? Letty, gib mir dein Glas.«
Letty stand auf und reichte ihrem Vater das langstielige Weinglas. Morgan schenkte ein und stellte das Glas auf dem lackierten Art deco Tisch ab.
»Stephanie bekommt natürlich nichts davon«, erklärte Morgan. »Sie will keinen Tropfen Alkohol anrühren, bis Matthew Christopher geboren ist. Was ist mit Ihnen, Joel?«
Joel wandte seinen Blick vom Fenster ab und sah einen Moment die Weinflasche an. »Haben Sie auch Bier im Haus?«
Morgan grinste. »Selbstverständlich. Im Kühlschrank ist immer ein Vorrat von Charlies Lieblingssorten. Sie wissen sicher, wie sehr er das hier im Nord westen gebraute Bier mochte.« Er ging zur Tür. »Stephanie, mein Liebling, würdest du bitte Joel eine Flasche von dem guten Ale bringen, das wir letzte Woche in der neuen Brauerei in Seattle besorgt haben?« rief er.
Wenig später erschien Stephanie und reichte Joel eine Flasche und ein Glas. »Bitte schön.«
»Danke.« Joel stellte das Glas beiseite und hob die Flasche in die Höhe. »Auf Charlie.« Er nahm einen langen Schluck.
»Auf Charlie.«
»Auf Charlie.«
»Auf Charlie.«
Letty nippte an dem Sauvignon Blanc, warf einen prüfenden Blick auf die gemischte Rohkostplatte, die Stephanie auf den Tisch gestellt hatte, und tauchte eine Erbsenschote in ein Schälchen mit Sauce.
»Was ist das?« fragte sie höflich. »Der Geschmack ist ganz neu für mich.«
»Das ist ein Dip auf Tofu-Basis«, erklärte Stephanie. »Schmeckt es dir?«
»Es schmeckt sehr... interessant. Und was ist das?« Letty deutete auf ein zweites Schälchen, das eine tiefrote. dicke Sauce enthielt.
»Ein Aufstrich für die Kräcker. Ich bereite ihn aus in der Sonne getrockneten Tomaten zu. Wenn du möchtest, gebe ich dir das Rezept.«
»Vielen Dank«, murmelte Letty. Sie war sich bewußt, daß die anderen sie amüsiert beobachteten.
»Mögen Sie Sashimi?« fragte Joel betont höflich.
»Bei uns zu Hause verwenden wir Sashimi als Köder beim Angeln«, erwiderte Letty.
Morgan lachte nachsichtig. »Hier an der Küste ißt jeder Sushi und Sashimi. Nicht wahr, Joel?«
Joel nickte langsam, den Blick auf Letty gerichtet. »Von hier bis Vancouver findet man an jeder Ecke eine Sushi-Bar oder ein thailändisches Restaurant. Aber Letty bevorzugt wahrscheinlich Steaks.«
Stephanie setzte eine besorgte Miene auf. »Meine Güte, Letty, du ißt doch nicht etwa immer noch rotes Fleisch? Niemand tut das mehr.«
»Nun, wir in Indiana essen dagegen selten rohen Fisch. Ich habe in einem Artikel gelesen, daß man davon Würmer bekommen kann. Sie
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