Unzertrennlich
nichts.«
Christine verscheuchte eine unsichtbare Fliege und überlegte, ob sie weiterreden sollte. Gabi nahm ihr die Entscheidung ab.
»Tauben«, sagte sie verträumt. »Organisiere doch irgendwo weiße Tauben und lass sie vor der Kirche fliegen.«
»Ich weiß nicht, ist das nicht übertrieben? Sie heiratet ja nicht im Blitzlichtgewitter der ›Bunten‹.«
Christine lachte. »Und außerdem besteht die Gefahr, dass die Viecher ihr das Brautkleid vollscheißen.«
Gabi schüttelte den Kopf. »Du nimmst das nicht ernst, Christine. Außerdem bringt das Glück.«
»Und Flecken, die du nicht mehr rauskriegst, obwohl das egal ist, weil man das Kleid sowieso nie wieder anzieht.«
»Also, bitte, kann ich vielleicht mal eine richtige Idee bekommen? Christine, erzähl doch mal, wie das bei euch abgelaufen ist. Du hast es ja hinter dir. Und du hast dich doch bestimmt über die Überraschungen gefreut, die deine Freunde für dich gemacht haben. Hattet ihr eine Hochzeitszeitung?«
Christine sah Antje vor sich. Antje im lindgrünen Kostüm, der Rock etwas zu eng über der Hüfte, im Arm einen Stapel Hochzeitszeitungen. Dieses Ich-bin-deine-beste-Freundin-Lächeln im Gesicht.
»Hochzeitszeitung, um Gottes willen«, sagte sie schnell. »Alberne Kochrezepte und gestümperte Kreuzworträtsel. Da kann doch heute kein Mensch mehr drüber lachen.« Sie dachte kurz nach. »Bei uns haben sie das Lied ›An der Nordseeküste‹ umgedichtet. In ›Als Bernd Tine küsste‹. Das war in etwa das Niveau, auf dem man sich bewegt. Wenn du deine Freundin gut leiden kannst, erspare ihr das. Sie wird dir ewig dankbar sein.«
»Wer wird wem dankbar sein?«
Unbemerkt von den anderen war Luise an den Tisch getreten und stand plötzlich hinter Christines Stuhl. Ruth sprang sofort auf, um die Kusskampagne zu starten. Auch Gabi hielt es nicht mehr auf dem Stuhl. Christine blieb sitzen und sah mit etwas spöttischem Blick zu. Einen kleinen Moment und sechs Küsse später setzten sich die drei. Luise legte kurz die Hand auf Christines Arm. Sie war schon sehr rücksichtsvoll.
Ruth brachte Luise auf den neuesten Stand.
»Meine beste Freundin Hanna heiratet, ich bin Trauzeugin und wollte mir etwas Witziges für die Hochzeit ausdenken. Und unsere Freundin hier, Christine, hat drei Tage lang auf dem Land geheiratet, wahrscheinlich mit unglaublich viel Tamtam. Aber anstatt mir tolle Vorschläge zu machen, findet sie alles doof.«
Luise war irritiert. »Aber Christine ist doch seit fünf Jahren geschieden.«
Gabi verdrehte in gespielter Verzweiflung die Augen.
»Um geschieden zu werden, muss man ja wohl erst mal heiraten. Meine Güte, es geht nicht um die Ehe, es geht um die Hochzeit. Um die Feier.«
Luises Gesicht wirkte immer noch so verständnislos, dass Christine lachen musste. »Luise muss erst mal auf die Ebene von ländlichen Hochzeiten kommen, das geht nicht so schnell. Wo warst du denn heute?«
Luise kramte ihre Zigaretten aus der riesigen Handtasche. »In Bremen, ich hatte aber nur drei Termine. War nett.«
Sie zwinkerte Christine zu. Christine spürte, dass sie rot wurde. In Bremen lebte Richard. Luise gehörte zu den wenigen, die wussten, dass Christine eine Affäre hatte.
»Wieso, was ist mit Bremen?« Ruth entging selten eine Gefühlsregung. Neugierig sah sie Christine an.
»Du, nichts weiter. In meinen Außendienstzeiten mochte ich Bremen am liebsten. Mehr nicht.« Sie griff zu ihrer Kaffeetasse, trank, setzte die Tasse ab und hatte sich wieder im Griff. »Also, zurück zu deiner Hochzeit. Ich habe gar nichts gegen das Heiraten. Aber diese selbstgedichteten Lieder, diese scheinheiligen Reden, diese Spielchen, das kriegt alles schnell was Armseliges. Und kaum etwas ist dabei ehrlich.«
»Aber ich meine es doch ehrlich. Ich kenne Hanna ein Leben lang, ich weiß alles über sie, wir sind seelenverwandt. Da wird es in jedem Fall ehrlich.«
Christine bemerkte Luises Seitenblick. Sie räusperte sich. »Dann wird es wohl so sein. Vielleicht war meine Hochzeit auch nur von den falschen Leuten organisiert. Das kriegst du schon hin. Das mit der Ehrlichkeit, meine ich.« Sie sah auf die Uhr. »So, ich muss jetzt aber los, ich habe noch einen Friseurtermin. Wenn mir was einfällt, Ruth, rufe ich dich an. Und mit der Kolumne fange ich heute Abend an.« Sie stand auf und legte ein paar Münzen auf den Tisch. »Bleibt sitzen, wir telefonieren. Bis Montag, Gabi, Luise, wir sehen uns.«
»Warte mal, Christine.« Ruth war doch aufgestanden,
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