Unzertrennlich
Lokal ausgesucht. Das hätte sie aber einfach sagen können. Irgendetwas kam wohl doch noch.
Dorothea fuhr ihr Auto auf den Parkplatz eines Restaurants. »Indochine«.
Von außen sah es schön aus, der Parkplatz war voll. Dorothea zog den Zündschlüssel ab und strahlte Christine an.
»So, da wären wir. Auf in den Kampf.«
Als sie Christines erschrockenes Gesicht sah, lachte sie und stupste sie mit dem Ellbogen. »Alles Gute zum Geburtstag, das wird ein toller Abend.«
Christine ging hinter ihr die Treppe hoch. Als sie vor dem Eingang des Restaurants standen, ließ Dorothea ihr den Vortritt. Der schöne Kellner, der sie an der Tür empfing, führte sie in einen Nebenraum. Und dann stimmte ein etwa zwanzigköpfiger Chor »Happy birthday« an. Christine stand stumm vor ihnen, sah fassungslos in die Gesichter und wusste nicht, ob sie lachen oder schreien sollte.
Ein halbes Jahr zuvor
April
Hamburg
In jedem Frühjahr gibt es diesen einen Tag, an dem man merkt, dass der Winter vorbei ist. Christine hatte es schon morgens gespürt, als sie mit dem Fahrrad zum Verlag fuhr. Die Luft war anders, kaum jemand trug noch eine Mütze und die Gesichter der Entgegenkommenden sahen gut gelaunt aus. Auch im Verlag herrschte Frühlingsstimmung, selbst der ewig muffige Herr Schlüter am Empfang schien Christine anzulächeln. In ihrem Büro waren die Fenster weit geöffnet, auf Gabis Schreibtisch stand ein Strauß Tulpen.
Seit fast drei Jahren arbeitete Christine im Vertrieb des Verlages, für den sie vorher im Außendienst unterwegs gewesen war. Gabi hatte ihr damals gesagt, dass es eine freie Stelle gab. Christine hatte sich sofort beworben, sie hatte die endlosen Autofahrten und die Hotelnächte satt. Sie bekam den Job, nicht zuletzt, weil Gabi, die seit zehn Jahren in der Abteilung saß, den Personalchef gut kannte und Christine eindringlich empfohlen hatte.
Seitdem teilten sich Gabi und Christine ein Büro. Gabi war eine angenehme Kollegin. Sie hatten ähnliche Arbeitsweisen, tranken beide Kaffee, beschränkten die privaten Plaudereien auf das Nötigste und hatten einen freundschaftlichen Umgangston miteinander gefunden.
Gabi sah hoch, als Christine zur Tür hereinkam.
»Guten Morgen, wir haben es geschafft, dieser Mistwinter ist wohl endgültig durch. Oder was sagt die Wetterfee?«
»Glaubst du, dass ich Wetterumschwünge in meinen zerschossenen Knien spüre?«
Gabi lachte. »Du, mein Opa konnte das, der sagte sogar die Windstärken voraus.«
»Schönen Dank auch.« Christine setzte sich an ihren Schreibtisch und fing an, die Post durchzusehen. Obendrauf lag ein Zettel: Ruth anrufen!
Ruth war die Herausgeberin des Stadtmagazins ›Kult‹, das ebenfalls in dem Verlag erschien, für den Christine arbeitete. Ruth war genauso laut und auffällig, wie Gabi zurückgenommen und leise war. Die beiden hatten im Verlag zusammen eine Lehre gemacht, waren seitdem befreundet. So unterschiedlich sie waren.
Vor zwei Jahren hatten Ruth und Christine auf der Weihnachtsfeier über den Sinn und Unsinn von Kolumnen diskutiert. Christine mochte Kolumnen, sie kaufte die ›Zeit‹ wegen Harald Martenstein. Ruth fand Kolumnen überflüssig. An diesem Abend schlossen sie eine Wette ab. Christine sollte eine Kolumne über Singlefrauen an Silvester schreiben und Ruth würde sie in der ›Kult‹ drucken. Gäbe es mehr als fünf Leserbriefe, müsste Ruth für Christine Kohlrouladen machen. Anscheinend gab es massenhaft Singlefrauen, die Silvester ratlos waren, jedenfalls schrieb ein Großteil von ihnen einen Leserbrief. Und Ruth musste ihren Wetteinsatz einlösen.
»Die größte Sauerei, die jemals in meiner Küche stattgefunden hat.«
Christine schaffte drei Rouladen mit anschließendem Schnaps und schrieb seitdem jeden Monat eine Kolumne. Das Thema gab Ruth vor. Kohlrouladen machte sie nie wieder.
Christine wählte und hatte nach zwei Freitönen Ruths Stimme im Ohr.
»Hallo, Ruth, ich sollte dich anrufen.«
»Ach, Christine, wunderbar, also einmal habe ich ein neues Thema für das Mai-Heft, nicht sehr originell, aber bitte, es geht um Zielgruppen. Ich möchte was zum Thema ›Meine erste Liebe‹. Schließlich kommen jetzt die Frühlingsgefühle. Apropos Frühling, bei dem Wetter sollten wir heute Abend die Alster-Saison eröffnen. Um 17Uhr bei ›Prüsse‹? Schließlich ist Freitag.«
»Das klingt gut. Ich frage Gabi, ob sie auch mitwill. Gabi? ›Prüsse‹? Ja, Ruth, sie nickt heftig und arbeitet gleich schneller. Bis
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