Unzertrennlich
und heulte, sie verließ mit mir entnervt das Schuhgeschäft.
Der zweite Wunsch war eine kleine Schwester. Einen kleinen Bruder hatte ich bereits, der leider nicht das hielt, was man mir drei Jahre zuvor versprochen hatte. Ich fand ihn wahnsinnig langweilig und konnte nicht viel mit ihm anfangen. Ich setzte also alle Hoffnungen auf eine Schwester, die Chancen standen zu dem Zeitpunkt 50:50, meine Mutter war zumindest schwanger.
Den dritten Wunsch hatte ich niemandem erzählt. Ich wünschte mir eine Freundin, eine ganz für mich allein. Meine Mutter hatte so eine. Sie nannte sie Inge-Berg-Gartenzwerg, obwohl Tante Inge schon groß war. Es gab ein Bild von ihrer Einschulung, darauf sahen sie genau gleich aus und hielten sich an den Händen. Das wollte ich auch.
Meine Einschulung war am 8.August, drei Wochen vorher drohte die Stimmung zu Hause zu eskalieren. Ich hatte einen weißen Faltenrock und eine dunkelblaue Clubjacke bekommen. Das war zwar alles schön, ich wollte es aber nur mit diesen roten Lackschuhen anziehen. Zumal ich schon auf den roten Schulranzen verzichten musste, meiner war braun. Meine Oma hatte gesagt, ich könnte ihn sowieso nicht sehen, weil er ja auf dem Rücken hing. Das sah ich ein, blieb das Problem mit den Schuhen, meine Füße sah ich nun mal.
Also marschierte meine schwangere Mutter mit ihrem renitenten Kind durch die Flensburger Innenstadt. Es gab sechs Schuhgeschäfte, die besagten Lackschuhe standen im zweiten Laden, in dem wir waren. Im dritten und vierten Geschäft verweigerte ich jegliche Anprobe, im fünften kamen die Tränen und im sechsten wollte ich nicht mehr eingeschult werden. Kurz vor Feierabend waren wir wieder im zweiten Laden, ich probierte mit verheultem Gesicht die schönsten Schuhe der Welt an. Ich log auf die Frage, ob sie gut passten, sie drückten wie verrückt, aber ich bekam sie. Ich war selig.
Am Abend vor der Einschulung war mir furchtbar schlecht. Ob es die Aufregung oder der Toast Hawaii zu besonderen Anlässen war, weiß ich nicht mehr, nur dass ich mich die ganze Nacht übergeben musste. Morgens war ich übermüdet, mir war übel und meine Schuhe drückten. Als wir auf dem Schulhof standen und ich all die anderen Kinder sah, von denen ich keines kannte, wurde mir noch übler. Dann löste meine Mutter ihre Hand aus meiner und schob mich nach vorn. Wir mussten uns alle in eine Reihe stellen, ich starrte auf den Boden, damit niemand meine Tränen sah, und bemerkte, dass alle anderen Mädchen schwarze oder dunkelblaue Schuhe trugen, geschlossene Schuhe ohne Lack. Ich musste meine Zehen krümmen, damit die Schuhe nicht so doll drückten, und war verzweifelt. Danach gingen wir in unsere Klassen. Auf der Treppe entstand ein kleines Durcheinander, das die Reihenfolge änderte. Mein Blick war immer noch auf den Boden gerichtet und plötzlich sah ich sie. Ein zweites Paar roter Lackschuhe. Mein Herz schlug schneller. Über den Schuhen waren weiße Kniestrümpfe, dann ein weißer Faltenrock und eine dunkelblaue Clubjacke. Wir sahen genau gleich aus! Das Mädchen sah mich an, sie lächelte schüchtern und wartete auf mich.
Als wir nebeneinander standen, merkte ich, dass sie einen halben Kopf kleiner und gelbblond war. Aber sonst sahen wir gleich aus, fand ich. Im Klassenraum setzten wir uns zusammen in die dritte Reihe. Sie sagte, sie heiße Linda Liebe, ich hatte noch nie jemanden mit so einem schönen Namen kennen gelernt. Ich war sehr glücklich.
Lindas Vater war Schlachter, sie sagte Metzger, sie kam aus dem Rheinland und redete anders als ich, was sich sehr schön anhörte. Mein Schulweg führte an dem Laden vorbei, Linda saß jeden Morgen auf der Treppe und wartete auf mich. Wir erzählten uns alles. Sie hatte eine große Schwester, die ganz gemein war, Linda musste immer ihre abgelegten Sachen auftragen, die sie alle nicht leiden mochte. Ich schenkte ihr meinen gelben Pullover, sie musste die Ärmel hochkrempeln, weil ich viel größer war, aber sie sah trotzdem schön darin aus. In den Ferien fuhr ich zu meiner Oma, Linda blieb zu Hause, ich dachte, ich müsste sterben. Als die Schule wieder anfing, freute ich mich furchtbar. Ich hatte meine erste Barbiepuppe bekommen, die ich ihr ganz stolz zeigte. Linda war allerdings auf einmal ganz komisch. Sie fand Barbies doof, sie hatte eine Schildkrötpuppe, die Klaus hieß. Das fand ich komisch. Klaus hatte Zöpfe.
Trotzdem blieb sie meine beste Freundin. Wir gingen den Schulweg jeden Tag zusammen, manchmal Hand
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