Urban Gothic (German Edition)
Pulsierende Bässe aus dem Auto neben ihnen brachten ihre Fensterscheiben zum Zittern. An der Straßenecke stand eine große Gruppe schwarzer Jugendlicher, die zu ihnen herüberstarrten. Als einer der Teenager wild gestikulierend auf den Kombi zusteuerte, trat Tyler das Gaspedal durch und raste bei Rot über die Kreuzung. Hinter ihnen plärrte eine Hupe.
»Verriegelt die Türen«, forderte Heather die anderen mit aufgerissenen Augen auf.
Tyler ignorierte ihren Vorschlag, aber alle übrigen kurbelten die Fenster hoch und drückten den Knopf. Nach einer Weile tat er es widerwillig auch.
»Scheiße noch mal, wo bleibt diese Abzweigung?«
Javier sagte vom Rücksitz des Kombis: »Hey Mann, da ist ein Hinweisschild für die Route 30. Kommen wir über die nicht zurück nach Lititz?«
»Ich will nicht zurück nach Lititz. Ich will nach Camden.«
»Scheiß auf Camden«, wurde Javier laut. »Hast du schon mal rausgesehen? Deinetwegen werden wir noch überfallen!«
Tyler starrte stur geradeaus. »Ihr macht euch zu viele Sorgen. Herrgott noch mal, wir kommen gerade von einem Rap-Konzert. Und jetzt scheißt ihr euch in die Hosen, weil wir durch die Stadt fahren? Ihr seid ja echt ein Haufen armseliger Mittelschicht-Spießer.«
»Falls es dir entgangen ist«, gab Brett zurück, »du bist selbst ein Mittelschicht-Spießer.«
»Bin ich nicht. Ich bin Italiener.«
Javier seufzte.
»Beruhigt euch alle mal, verdammt«, meinte Tyler. »Uns passiert schon nichts. Solange wir niemanden anmachen, macht uns auch niemand an.«
Er versuchte, seiner Stimme einen ruhigen Klang zu verleihen, biss dabei aber die Zähne zusammen. Kerri wusste aus Erfahrung, wie es gerade in ihm brodelte.
Der letzte Rest seiner entspannten Fassade bröckelte, als am Armaturenbrett eine Kontrollleuchte anging und unter der Motorhaube Dampf hervorquoll, durch den die Windschutzscheibe beschlug.
»Scheiße!«
Der Motor stotterte und wurde abgewürgt, zusammen mit dem Radio und den Scheinwerfern. Die Geschwindigkeit des Autos verringerte sich von 60 Sachen auf maximal zehn. Sie rollten noch einige Meter weiter, dann kamen sie zum Stehen. Der Fahrer des Wagens hinter ihnen hupte. Tyler versuchte, die Warnblinkanlage einzuschalten, doch die funktionierte auch nicht.
»Verfluchter Scheißdreck.« Er öffnete die Tür, stieg aus und bedeutete ihrem Hintermann, um sie herumzufahren. Dann beugte er sich in den Kombi und löste die Verriegelung der Motorhaube.
»Bleibt hier drin«, forderte er die anderen auf und stapfte zur Vorderseite des Autos.
Und nun saßen sie hier fest – gestrandet in dieser üblen Gegend.
Tylers Schuld.
Kerri schüttelte den Kopf und seufzte.
»Manchmal läuft’s einfach scheiße«, brummte Javier erneut.
Heather nickte zustimmend. »Er musste ja unbedingt heute Nacht nach Camden fahren. Hätte er auf uns gehört, wären wir inzwischen auf der Schnellstraße.«
»Vielleicht sollten wir aussteigen und ihm helfen«, schlug Brett vor. »Ich meine, Tyler versteht doch einen Scheißdreck von Autos. Der Motorfreak ist immer Dustin gewesen. Was will er da draußen schon ausrichten?«
Kerri runzelte die Stirn. »Tyler hat gesagt, wir sollen im Wagen bleiben.«
»Mir doch egal«, gab Brett zurück. »Hier drin ist es heiß, und das Fenster lasse ich auf keinen Fall runter.«
»Du hast Angst davor, das Fenster runterzulassen«, meldete sich Heather zu Wort, »aber du willst raus zu Tyler gehen?«
»Ja«, pflichtete Javier ihr bei. »Was ist das denn für ʼne Logik, Kumpel?«
Grinsend ahmte Heather eine Babystimme nach. »Er weiß, dass Tyler die großen bösen Gangmitglieder vermöbelt, wenn sie sich mit uns anlegen. Er hat Angst.«
Bretts Ohren liefen rot an. Statt etwas zu erwidern, öffnete er die Tür und stieg aus.
»Weißt du«, sagte Stephanie zu Heather, »das war echt hundsgemein.«
Heathers Lächeln erstarb. »Ich hab doch bloß Spaß gemacht.«
»Brett ist sensibel, und das weißt du genau.«
Seufzend verließen Javier und Heather das Auto, um sich bei Brett zu entschuldigen. Stephanie blieb sitzen und kramte in ihrer Handtasche. Sie zog ihr rosafarbenes Handy heraus und klappte es auf. Das Display leuchtete in der Dunkelheit.
»Wen rufst du an?«, wollte Kerri wissen.
»Meine Eltern. Sie sind Mitglied beim Automobilclub und können uns einen Abschleppwagen schicken.«
»Warte damit noch kurz. Erst sollen die Jungs rausfinden, was mit dem Auto nicht stimmt.«
»Kannst du vergessen«, entgegnete Stephanie. »Ich
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