Urlaub mit Papa
»Das ist wie im Leben, da beschützen auch die Väter ihre Kinder. Die Mütter brüten nur.«
»Aha.« Ich zeigte mich beeindruckt. »Wenn sie nicht zu spät kommen.«
»Genau.« Lena vollendete den Möwenschnabel auf dem Blatt vor sich. »Du, Christine?«
»Ja?«
»Hubert ist genau wie Lille Peer. Genau so. Aber das ist geheim.« Sie biss sich auf die Unterlippe und sah mich ernst an. Ich hielt ihrem Blick stand.
»Ja, der kennt sich mit Möwen aus. Das habe ich mitbekommen.«
»Nein, ich meine auch mit…«
»Da kommt Mama.« Emily rutschte vom Stuhl und lief Anna Berg entgegen. »Mama, wir waren mit dem Möwenkönig am Strand und da haben wir…«
»Moment, Emily, lass mich erst mal richtig reinkommen.« Sie hob ihre Tochter hoch und kam zu uns. »Hallo! Ihr seid ja schon fast fertig, das sieht ja toll aus.«
»Na ja.« Mein Vater stand auf und sah sich um. »Ein bisschen viel Tische vielleicht.«
»Auf dass sie immer alle besetzt sind. Hat mit den Kindern alles geklappt?«
»Aber klar. Die zwei sind ja auf Zack. Die haben gut auf Hubert und mich aufgepasst, nicht wahr? Und wie war das Segeln?«
»Großartig. Und noch mal vielen Dank. Mein Mann und ich haben wirklich was bei Ihnen gutzumachen. Sie sind als Babysitter unbezahlbar.«
Mein Vater winkte geschmeichelt ab. »Ach was, das ist schon in Ordnung. Und meine Tochter kann ich ja auch alleine lassen.«
»Wir denken uns was aus. So, ihr beiden, jetzt packt mal zusammen und bedankt euch. Also frohes Schaffen und bis bald.«
Als auch der letzte Gegenstand an der richtigen Stelle stand, der letzte Zentimeter abgewischt war und alles so aussah, wie es Nils Plan vorsah, fiel mir ein, dass Marleen mir etwas erzählen wollte. Ich ging hinüber in die Pension, wo sie gerade mit dem Blumenlieferanten telefonierte.
»Also gut, ihr kommt dann gegen halb sieben, dann haben wir noch genug Zeit, alles zu dekorieren. Bis morgen, danke.« Sie legte auf und atmete tief durch. »So. Jetzt haben wir alles. Gesa ist gerade zu den Catering-Leuten gefahren und gibt denen die endgültige Liste und dann haben wir alles organisiert.«
»Du wolltest mir noch was erzählen…«
Marleen vergewisserte sich, dass uns niemand hörte. »Stimmt. Ich wollte nur nicht, dass Heinz oder Gisbert das mitbekommen, dann wäre gleich der Teufel los gewesen.«
»Was war denn nun?«
»Gerd war doch vorhin hier, der Polizist.«
»Onnos Bruder.«
»Ja, er hat mir das hier gegeben.« Sie griff hinter den Tresen und zog eine schwarze Brieftasche hervor, die sie mir gab. »Die haben Gäste am Strand gefunden und bei ihm abgegeben.«
Ich klappte sie auf und entdeckte als erstes eine Visitenkarte: »Ihr Zuhause auf Norderney, Haus Theda.«
»Und?«
»Nun schau doch mal weiter.«
Hinter der Karte steckte ein Personalausweis. Ich zog ihn raus und starrte auf ein Foto von Johann! Sogar auf ein ausgesprochen schönes. Nur dass darunter ein ganz anderer Name stand: Johannes Sander.
»Geboren in Köln, 1.86m, Augen braun.« Ich las es halblaut vor. »Das kann doch nicht wahr sein. Sander? Wieso nennt er sich Thiess?«
Marleen guckte mir über die Schulter. »Lies weiter, da ist noch die Adresse und die stimmt. Bremen.«
»Aber der Name ist falsch. Was soll das denn? Hat er dir den Ausweis nicht gezeigt?«
»Ach, das war doch alles so hektisch. Ich sehe mir auch nicht von jedem Gast den Ausweis an, das braucht man nicht mehr. Und hier, seine Handynummer war auch dabei, ich habe ihm auf die Mailbox gesprochen, dass seine Papiere hier abgegeben wurden. Übrigens sind auch noch alle Karten drin, das waren ehrliche Finder. Jedenfalls habe ich ihm gesagt, er solle morgen vor der Eröffnung vorbeikommen und die Brieftasche abholen, den anderen Namen habe ich übrigens nicht erwähnt.«
»Seine Handynummer habe ich auch.«
»Ja, dann ruf ihn doch an. Oder schlag ihm ein Treffen vor, dann kannst du sie ihm geben.«
Ich überlegte nur ganz kurz, bevor ich seine Nummer wählte. Mein Herz schlug viermal pro Freizeichen. »Guten Tag. Hier ist die Mobilbox des T-Mobile-Anschlusses 0171…«
Ich legte auf. Dann vielleicht später. Aber der Entschluss war gefasst. Ich würde Johannes Sander anrufen. Was auch immer dabei herauskam.
Marleen hatte vorgeschlagen, dass sich alle um 20Uhr in der Kneipe treffen sollten.
»Ich gebe ein ›Wir-haben-es-geschafft-Bier‹ aus. Und Hubert grillt Würstchen.«
Mittlerweile hatte ich ungefähr zehnmal auf die Wahlwiederholung gedrückt, ich konnte den Text
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