Urlaub mit Papa
ließ Hannelore Klüppersberg und Mechthild Weidemann-Zapek aussteigen. Beide trugen Jeans und olivgrüne Hemden.
»Fehlt nur noch das Tarnnetz.«
»Dorothea, komm mal vom Fenster weg.«
Mein Vater warf ihr einen ungeduldigen Blick zu und ging dem Trio entgegen. Carsten fuhr gleichzeitig auf den Hof und stieg unter Beobachtung der getarnten Damen elegant von seinem Fahrrad ab. Dorotheas Gucci-Sonnenbrille ließ ihn seltsam aussehen. Er winkte Dorothea, die immer noch gebannt am Fenster stand, verschmitzt zu. Sie stöhnte.
»Nils, wenn du ihm auch nur annähernd ähnlich wirst, war es das mit uns.«
»Du, ich bin wie meine Mutter. Das sagen alle.« Nils schob ungerührt den nächsten Tisch in seine Endposition. »Reg dich nicht auf.«
Die Truppe enterte die Kneipe, die Damen zuerst, dann Gisbert und mein Vater, und schließlich Carsten. Wir sahen ihnen gespannt entgegen, allein Nils arbeitete weiter.
»Nils!« Diesen Ton hatte nur ein Vater. »Mach doch nicht so einen Krach. Wir müssen euch was erzählen.«
»Und wir müssen fertig werden.«
Ich bewunderte Nils für seinen Mut. Der traute sich was. Gegen seinen Vater.
»Nils!«
Er stellte den Tisch gerade hin und setzte sich drauf. »Ist ja schon gut. Was gibt es?«
Es war überall das Gleiche. Carsten nahm die Sonnenbrille ab und klappte sie zusammen.
»Wir wollten euch nur berichten, dass unsere Observierung beendet ist. Und, meine Damen, korrigieren Sie mich, wenn es nicht stimmt, wir waren durchaus erfolgreich.«
»Ja.« Mechthild Weidemann-Zapek warf sich in die Brust. »Das kann man so sagen.«
»Hat er Ihnen etwa Avancen gemacht?« Mein Vater guckte besorgt.
Sie nickte triumphierend. »So gut wie.«
Ich war zwar nicht in der Form meines Lebens, aber Untertöne konnte ich noch hören.
»Was heißt ›so gut wie‹?«
Hannelore Klüppersberg ging nicht darauf ein.
»Wir waren den ganzen Nachmittag in der ›Georgshöhe‹. Wir sind erst auf und ab gegangen, dann haben wir uns am Tisch neben Herrn Thiess niedergelassen und Kaffee getrunken.«
»Ich saß einen Tisch weiter«, warf Carsten ein.
»Mit meiner Sonnenbrille? Und hast rübergestarrt?«
»Dorothea, lass sie doch mal ausreden.« Mein Vater wurde ungeduldig.
»Er hat so demonstrativ weggeguckt, das hatte Methode«, erklärte Mechthild weiter.
Jetzt wollte ich es wissen. »War er allein?«
Gisbert glättete sein Haar, bevor er antwortete. »Natürlich. Er hat gemerkt, dass wir ihn eingekreist haben. Da geht er doch kein Risiko ein.«
»Also hat er die Damen gar nicht angemacht, und ihr habt ihn auch nicht überführt?«
»Ach, Christine«, versuchte es Gisbert in väterlichem Ton. »Er hat sich so eindeutig verhalten. Wach endlich auf. Du hast dich in diesem Mann getäuscht. Er ist ein Verbrecher.«
»Es langt.« Marleen schlug mit der flachen Hand auf den nächsten Tisch.
»Genau«, ich hatte das Ganze so unglaublich satt und ging zur Tür, »und deshalb gehe ich jetzt eine rauchen.«
»Christine?«
»Was ist?« Ich drehte mich zu meinem Vater um.
»Nichts. Ich meine… falls du Feuer brauchst… ich hätte da noch Streichhölzer.«
Er warf sie mir zu. Langsam wurde ich erwachsen.
Zwei Zigarettenlängen später hatte sich die Stimmung in der Kneipe wieder beruhigt. Kalli und Hubert wischten die Tische ab, Marleen und Dorothea stellten die letzten Gläser in die Vitrinen, Onno und mein Vater sahen den Zwillingen beim Malen zu. Das Meisterdetektivquartett war nicht zu sehen.
»Und?« Ich schob einen Stuhl dazu. »Sind die Lockvögel wieder im Einsatz?«
Mein Vater deutete auf die Mädchen, die sich konzentriert über ihre Bilder beugten.
»Nicht vor den Kindern. Die schlafen sonst schlecht.«
Emily hob den Kopf. »Die heißen Lachmöwen und nicht Lockmöwen. Und ich muss noch nicht ins Bett, es ist doch noch ganz hell draußen.«
»Stimmt.« Mein Vater tippte auf das Bild. »Der Schnabel muss länger werden. Weißt du, Christine kennt sich mit Möwen nicht so gut aus wie wir.«
»Dann musst du Hubert fragen«, erklärte Lena und zeigte mit dem Finger auf ihn. »Hubert ist nämlich genau wie der Möwenkönig. Weil der auch alle kennt, Lachmöwen und Sturmmöwen und Silbermöwen und…«
Vor lauter Nachdenken zog sie ihre Stirn kraus. Zum Glück bekam sie Hilfe von ihrer Schwester.
»Heringsmöwen. Und man darf nicht immer die Eier sammeln und die Papas von den Möweneiern, die greifen die Eiersammler an. Nie die Mamas.«
»Genau, Emily.« Mein Vater nickte stolz.
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