Urlaub mit Papa
»Aber ich befürchte ein technisches Problem.«
Dorothea funkelte ihn an. »Tja, Indianer, wenn du deinen Führerschein nicht gewonnen hättest, wäre dieser Unfall gar nicht passiert. So was wie dich sollte man überhaupt nicht fahren lassen. Was machst du überhaupt hier? Observierst du Heringsmöwen?«
Er klopfte sich den Staub von seiner Hose. »Ich habe tatsächlich an der Aufklärung unseres Falls gearbeitet. Ich habe das Opfer beschattet, um sie zu schützen. Aber du hast mir alles zunichte gemacht. Schönen Dank.«
»Was ist denn hier los?«, rief Marleen, die gefolgt von Onno und Kalli herausgekommen war.
»Ist jemandem was passiert?«
Dorothea winkte ungeduldig ab. »Nichts weiter, nur von Meyers Hirn hat was abbekommen, das merkt aber keiner. Hast du ein Pflaster für mein Knie?«
Während Marleen Dorothea verarztete, besahen sich Kalli und Onno den Schaden an Gisberts Moped. Kalli wackelte am Lenker.
»Das ist eine Hercules, die kann das ab. Und die Schrammen kriegst du mit einem Lackstift wieder hin.«
Gisbert strich über den Holm. »Ärgerlich.«
»Was rast du auch so?« Ich hörte Schadenfreude in Onnos Stimme. Irgendwie mochte er den Inselschreiber nicht. »Mein kleiner Bruder hatte auch eine Hercules. Da war er sechzehn. Ich hatte ein richtiges Motorrad, eine Suzuki. Tja.«
Ich stieß ihn in die Seite. »Onno! So, kommt, wir wollten doch essen. Und die alte Dame ist jetzt sowieso weg.«
»Sag ich doch.« Gisbert war unglücklich. »Die ganze Karambolage für nichts.«
Nils und Marleen kamen mit der verpflasterten Dorothea zurück. Die schoss noch einen giftigen Blick auf Gisbert ab, dann sagte sie: »Ich gehe jetzt essen.«
Demonstrativ humpelte Dorothea vorneweg, Gisbert blieb abwartend stehen, bis Marleen sagte: »Jetzt komm, du kannst mitessen, das war ja doch ein kleiner Schock.«
Er fügte sich mit tragischem Ausdruck und schleppte sich mit anscheinend letzter Kraft hinter uns her.
Nach einer kurzen Mittagspause gingen wir wieder in die Kneipe zurück. Nils und Onno hoben sofort den ersten Tisch vom Stapel, Gesa und ich den nächsten, nur Kalli blieb unschlüssig stehen. »Also allein ist das blöd. Ich möchte keine Schramme in die teuren Tische machen.«
Er wartete auf Marleen. Sie sortierte Wasserflaschen in Kisten und hob kurz den Kopf.
»Ich fasse gleich mit an. Das heißt, Gisbert, kannst du nicht ein bisschen mithelfen?«
Er sah sie entsetzt an. »Ich hatte gerade einen Unfall.«
Dorothea ließ fast alles fallen. »Ich glaube es ja wohl nicht. Von Meyer, ich vergesse mich gleich.«
»Herr von Meyer, bitte.« Gisbert erhob sich langsam. »Und im Übrigen habe ich auch gar keine Zeit. Ich habe noch zu tun. Kalli? Denkst du an die Ablösung? Aber eigentlich ist Heinz auch mal dran. Und Hubert hat noch gar nicht observiert. Wo bleiben die eigentlich?«
Kalli warf einen ängstlichen Blick auf Marleen, die ihn bereits drohend ansah.
Ob es an Dorotheas Schmerzen oder an ihrer Wut auf den fahrlässigen Mopedfahrer lag, sie baute sich mit gefährlichem Gesichtsausdruck vor Gisbert auf.
»So, mein Lieber, jetzt hörst du mir mal zu. Weder Kalli noch Heinz, Hubert oder Carsten werden mit diesem dämlichen Räuber-und-Gendarm-Spiel weitermachen. Entweder ihr entschuldigt euch bei Herrn Thiess, der seit Tagen von geistesgestörten, sonnenbebrillten Rentnern und Möchtegernreportern verfolgt wird, oder ihr geht zur Polizei. Aber bis zur Eröffnung morgen hat hier keiner mehr Lust, auch nur einmal das Wort Heiratsschwindler zu hören. Geht das vielleicht in dein geprelltes Hirn?«
Gisbert rang nach Luft. »Was bildest du dir… Marleen! Sag du doch mal was. Es geht doch auch um den Ruf deiner Pension.«
»Dorothea hat recht. Wir müssen jedenfalls weitermachen, sonst werden wir nie fertig. Zur Eröffnung kommen ungefähr 120Gäste. Dafür brauche ich jede Hand. Du kannst ja meinetwegen observieren, wen und was du willst. Aber bitte nicht hier und…«
Sie brachte ihren Satz nicht zu Ende, weil die Tür aufgerissen wurde und Hubert, mein Vater und die Zwillinge kamen.
»Hallo, da sind wir wieder.« Mein Vater bückte sich vor der Tür, damit Emily, die auf seinen Schultern saß, sich nicht den Kopf anstieß.
»Gisbert, alter Junge, du hast ja eine Mordsschramme an deinem Mofa. Hast du die Kurve nicht gekriegt?«
Onno lachte leise vor sich hin. »Dafür Dorothea.«
Hubert, mit Lena an der Hand, stellte sich neben ihn. »War was?«
Marleen sah die Zeit schwinden. »Nein.
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