Urlaub mit Papa
bloß nicht, dass mir dein Augenverdrehen entgangen ist, Christine Schmidt. Darüber sprechen wir noch. Jetzt gehe ich mir etwas Leichteres anziehen. Mir ist warm.«
Die Tür knallte hinter ihm ins Schloss.
Ich schmiss die Malerrolle in den Farbeimer und drehte mich zu der feigen Truppe um.
»Danke schön. Ich hoffe, ihr haltet euch genauso zurück, wenn ich ihn gleich mit dem Klebeband ersticke.«
Nils sah zuerst in den Farbeimer und lächelte mich dann an. »Ich hol dir mal eine neue Rolle, die andere ist ja total abgesoffen. Ich habe noch eine im Auto.«
Dorothea mischte sich Farbe an. »Ich kann doch nichts zu Vater-Tochter-Beziehungen sagen. Das ist eine hochkomplexe Angelegenheit, da brauchen Therapeuten Jahre für. Fräulein.« Sie lachte albern über ihren eigenen Witz.
Nur Kalli hatte Mitgefühl. »Guck mal, ich glaube, Väter sind manchmal komisch. Ich bin ja auch Vater. Je älter du wirst, umso besser wirst du ihn verstehen.«
»Na, vielen Dank, Kalli. Ich gehe jetzt eine rauchen. Und es ist mir egal, ob du petzt.«
Sicherheitshalber setzte ich mich hinter das Haus, ich musste ja nicht in der Schusslinie bleiben. Die Sonne schien mir ins Gesicht, ich stellte mir Johann Thiess am Strand vor und überlegte, wie ich mich mit ihm treffen könnte. Ich verstand überhaupt nicht, was Marleen hatte, bei meinem Vater waren es ohnehin nur Vorurteile. Bei meinem Exmann, den er später eigentlich mochte, waren ihm die Hände aufgefallen: »Riesenpranken. Du musst mal drauf achten. Mit solchen Händen bringt man Leute um. Da reicht eine Hand pro Hals.«
Meine Mutter nahm seine Geschichten selten ernst. Sie hatte ihrem Schwiegersohn zum letzten gemeinsamen Weihnachtsfest Handschuhe geschenkt, er hatte dieselbe Größe wie mein Vater.
Meine Mutter! Ich hatte meinem Vater noch gar nichts gesagt. Er machte sich immer noch Sorgen. Er hätte mich ja auch freundlich fragen können, mit wem ich telefoniert hatte, statt an mir rumzumäkeln. Selbst schuld.
Als ich in die Kneipe kam, saß mein Vater schon wieder auf dieser umgedrehten Kiste, sein Gesicht in den Händen vergraben . Onno, Kalli, Nils und Dorothea standen mit ernsten Mienen um ihn herum. Mein Vater hob den Kopf. Er war leichenblass und sah mich verzweifelt an.
»Ach, Christine. Wir müssen sofort fahren.«
»Was ist denn los?«
»Ich fahre euch.« Dorothea beugte sich zu ihm und drückte sanft seinen Arm. Sie drehte sich zu mir. »Vielleicht hört sich alles schlimmer an, als es ist.«
Ich verstand nur Bahnhof. »Kannst du mir bitte erklären, um was es hier geht?«
Kalli und Onno legten gleichzeitig die Zeigefinger auf ihre Lippen.
»Seine Frau«, flüsterte Onno.
»Was? Geht das auch in ganzen Sätzen? Seine Frau ist übrigens auch meine Mutter.«
Mein Vater schüttelte langsam den gesenkten Kopf.
Ich wurde laut. »Dorothea! Sag sofort, was passiert ist.«
»Heinz hat eben mit dem Krankenhaus telefoniert.«
Er sah wieder hoch. »Es muss was Schlimmes passiert sein. So schlimm, dass sie es uns nicht sagen können.«
Ich wurde panisch. »Wieso? Hast du mit Ines gesprochen?«
»Mit Ines? Nein, wieso? Mit dem Krankenhaus.«
»Ja und?«
Er rieb sich die Augen. »Sie haben gesagt, dass sie mir am Telefon keine Auskunft geben dürfen.«
Langsam begriff ich und hockte mich vor ihn.
»Du hast die Zentralnummer vom Krankenhaus gewählt und gefragt, wie es Mama geht? Und die haben dir nichts gesagt?«
»Genau.«
»Und hast du dich mit der Station verbinden lassen?«
»Ich weiß doch nicht, mit welcher Station.«
»Und Ines hast du nicht angerufen?«
»Ich weiß ihre Nummer nicht auswendig. Aber die aus dem Krankenhaus haben das so komisch gesagt, dass sie nichts sagen dürfen. Ganz komisch.«
Ich erhob mich wieder und atmete erleichtert aus.
»Papa, du brauchst dir keine Sorgen zu machen, es ist alles gut. Ines hat angerufen, die OP ist gut verlaufen, Mama war um 11Uhr zwar noch müde, aber schon wieder auf ihrem Zimmer und so gegen 15Uhr kannst du sie selbst anrufen.«
Mein Vater sah mich skeptisch an. »Du willst mich schonen. Wieso weiß Ines das besser als die Leute aus dem Krankenhaus?«
»Weil Ines mit dem Arzt gesprochen und Mama gesehen hat. Du hattest da irgendeinen Pförtner am Telefon.«
»Nein, es war eine Frau, bestimmt eine Ärztin oder so. Wieso hat Ines denn nicht angerufen, wenn alles gut ist?«
»Hat sie doch, das habe ich dir gerade gesagt. Sie hat auf meine Mailbox gesprochen, weil du ja alle Handys ausgeschaltet
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