Urlaub mit Papa
sitzt, dachte ich und dann fiel mir ein, was mir an dem Namen bekannt vorkam. Ich sagte es auch gleich, lauter, als ich eigentlich vorhatte:
»Gisbert von Meyer? Sind Sie derjenige, der diesen Artikel geschrieben hat, ›Invasion der Tagesgäste‹? Er war mit GvM unterschrieben.«
Er strahlte mich an, dass man die kleinen Mäusezähnchen sah.
»Derselbe bin ich. Ja, ich gehöre zur schreibenden Zunft, das ist meine Leidenschaft. Und deshalb bin ich heute hier. Sind Sie Marleen de Vries?«
Ich schüttelte den Kopf und deutete auf Marleen, die schon vor ihm stand und ihre Hand ausstreckte.
»Ich bin Marleen de Vries. Was kann ich für Sie tun?«
GvM ergriff ihre Hand und schüttelte sie sekundenlang, ohne den Blick von mir zu wenden.
»Was Sie für mich tun können? Falsche Frage, ich tue was für Sie.« Jetzt endlich sah er Marleen an. »Ich bin Journalist und arbeite für ein paar Monate bei der Norderneyer Inselzeitung. Ich suche Themen, die mich leidenschaftlich und neugierig machen«, Dorothea machte gurgelnde Geräusche, ich vermied es, sie anzusehen, »und jetzt habe ich gehört, dass hier auf unserer wunderbaren Insel aus einer alten Kneipe eine wunderbare Bar oder Lounge entsteht. Darüber möchte ich schreiben.«
Mein Vater stellte sich neben Marleen. »Haben Sie einen Presseausweis?«
GvM guckte verwirrt. »Wie bitte?«
»Aus-weis. Ich möchte Ihren Pres-se-aus-weis sehen. Sie können ja auch ein Spion der Konkurrenz sein. Aber da haben Sie uns unterschätzt, wir sind auf der Hut.«
»Aber die Dame dort hat doch schon etwas von mir gelesen.« Seine Fistelstimme wurde bei Aufregung brüchig. Mein Vater sah in meine Richtung und winkte ungeduldig ab. »Ach, das ist nur meine Tochter. Sie liest einfach zuviel. Schon als Kind. Und dann erzählt sie wilde Geschichten. Nein, nein, den Ausweis bitte.«
Nils mischte sich ein. »Heinz, entschuldige, ich kenne Herrn von Meyer. Er wohnt drei Häuser neben uns, er ist wirklich bei der Zeitung.«
Mein Vater sah erst skeptisch Nils, dann GvM interessiert an. »Bekommen Sie eigentlich irgendwelche Vergünstigungen? Mein Sohn war auch mal Journalist, der kriegte bei VW und Toyota Rabatt. Im Kino auch.«
Der kleine Inseljournalist sah verlegen aus. »Ich kümmere mich da nie so drum, ich brauche ja gar kein Auto und ins Kino gehe ich nicht so gern. Aber ich fahre manchmal nach Hamburg.«
Onno beugte sich vor. »Auf die Reeperbahn? Kriegt ihr da alles billiger?«
Man sah die Sommersprossen auch, wenn Gisbert von Meyer errötete. Er wehrte heftig ab. »Um Himmels willen, nein, ich gehe manchmal zum HSV.Die Karten bekomme ich etwas preiswerter.« Er war verlegen, mein Vater sprachlos. Doch er hatte sich gleich wieder gefasst.
»Sie gehen zum HSV? Ins Stadion? Zum Fußball? Und kriegen da Karten? Egal für welches Spiel?«
Sein Gesicht war jetzt auch hochrot. GvM entschuldigte sich.
»Ich weiß, Fußball ist nicht jedermanns Sache, aber ich mag diesen Sport sehr. Es ist mein einziges Laster, aber der Mensch kann ja nicht nur arbeiten.«
Mein Vater zog ihn mit an den Tisch. »Das sag ich auch immer. Also, ich heiße Heinz, Gisbert war dein Name, oder? Du hast übrigens eine sehr schicke Hose an. Also, dann setz dich mal mit dazu, du trinkst bestimmt einen Kaffee mit uns, kleines Brötchen dazu? Marleen, holst du uns noch eine Tasse?«
Marleen stand immer noch an der Tür und verfolgte das Geschehen.
»Ja, ich hole gleich eine. Herr Meyer…«
Mein Vater unterbrach sie: »Von Meyer, Marleen.«
»Gut. Also, Herr von Meyer, was wollten Sie eigentlich von mir?«
»Ich…«
Wieder unterbrach Heinz. »Er schreibt eine schöne Geschichte über uns, nicht wahr, Gisbert? Das ist Werbung für dich, Marleen. So, und jetzt sag mal, für welche Spiele hast du denn Karten?«
Dorothea und ich halfen Marleen, eine Tasse zu holen.
Anscheinend gefiel es Gisbert von Meyer ausgesprochen gut in unserer Runde, zumindest unternahm er keinerlei Anstalten, zurück in seine Redaktion oder nach Hause zu gehen. Selbst als Onno demonstrativ auf seine Taschenuhr sah und sagte: »Wenn wir nicht langsam in die Puschen kommen, ist gleich Feierabend «, nickte er ihm zwar zustimmend zu, behielt aber Platz. Marleen stapelte das Geschirr auf ein Tablett und sah Heinz fragend an. Er reichte ihr die leere Platte.
»Du kannst ruhig abräumen, wir möchten keinen Kaffee mehr, oder Gisbert? Kalte Getränke haben wir ja noch hier. Sag mal, erinnerst du dich noch an dieses sensationelle 5:1
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