Urlaub mit Papa
hast.«
Kalli räusperte sich. »Na, das klingt ja gut.«
»Ja«, Onno hatte sogar die Musik ausgestellt, »da ist sie wohl von der Schippe gesprungen, wie man so schön sagt.«
Ich zog mein Telefon aus der Tasche und tippte die Nummer meiner Schwester ein. Seit ihrem Anruf waren über zwei Stunden vergangen, vielleicht war sie inzwischen wieder erreichbar. Ich hatte Glück, nach zwei Freizeichen meldete sie sich.
»Das wird auch mal Zeit, dass ihr anruft. Habt ihr vergessen, dass Mama heute operiert wird? Ich ruf extra früh an, damit sich keiner länger als nötig Sorgen macht und ihr habt eure Telefone aus.«
»Papa hat Angst vor Strahlen und Blumenkohlohren. Er hat alle Handys abgestellt, ich habe das nicht gemerkt. Also, ist sie schon wach?«
Ines gab mir die Durchwahl des Zimmers und meinte: »Lasst sie noch ein bisschen schlafen, der Arzt hat gesagt, so gegen drei Uhr ist sie wieder einigermaßen fit, das ist in einer Stunde. Dann fahre ich auch hin.«
»Willst du Papa noch sprechen?«
»Wenn er will.«
Ich hielt meinem Vater das Handy hin. »Möchtest du mit Ines reden?«
»Nö.« Er winkte ab.
»Ines, er will nicht.«
»Auch gut. Ich muss los, wir hören uns, bis bald.«
Mein Vater sah mich aufgeregt an. »Ja und? Was sagt sie?«
»Papa, das hättest du sie auch selbst fragen können. So gegen drei kannst du Mama anrufen, im Moment schläft sie. Hier ist die Durchwahl von ihrem Zimmer.«
Er griff nach dem Zettel und steckte ihn zufrieden ein.
»Ich gehe mal in die Pension und frage Marleen, ob sie uns was zu Essen macht. Bis gleich.«
»Papa, noch nicht anrufen, hörst du?«
»Nein, nein.«
Er ging mit schnellen, federnden Schritten über den Hof.
Ich brech die Herzen der stolzesten Fraun
– H.Rühmann & P.Kuhn –
Nach einer halben Stunde kam er wieder, gefolgt von Marleen, die ein Tablett mit belegten Brötchen trug. Er hielt ihr sogar die Tür auf, strahlte uns alle an und rief:
»Schöne Grüsse von meiner Frau. Los, Kalli, schieb mal ein paar Tische zusammen, wir essen jetzt etwas. Gesa kommt auch, sie bringt Kaffee mit. Christine, Onno, Dorothea, Pause! Ach, Nils, du natürlich auch. Nicht nur malochen, wir wollen doch auch ein bisschen Spaß haben.« Er klatschte in die Hände. »Onno, hör mal, das ist Marianne Rosenberg, mach mal lauter.«
Ich schob Stühle an die improvisierte Tafel, mein Vater setzte sich neben mich und streichelte mein Knie. »Eine Tasse Kaffee jetzt ist schön, oder?«
»Du hast sie doch sofort angerufen.«
»Natürlich.« Er griff nach einem Brötchen und legte es Nils auf den Teller. »Hier, Jung, iss…«
»Sie war doch bestimmt noch total verschlafen.«
»Ich kenne deine Mutter seit 48Jahren. Sie ist jeden Morgen total verschlafen. Das macht mir nichts aus.« Er hielt seine Kaffeetasse hoch und sah in die Runde. »Prost, ihr Lieben, auf meine Frau, ihren Arzt, das neue Knie und dass wir weiterhin so gut zusammenarbeiten.« Er lächelte zufrieden. »Und heute Abend gebe ich ein Bier aus. Ihr seid alle eingeladen.«
Dorothea zwinkerte mir zu, ich zwinkerte zurück. Die Ferien waren erst mal gerettet.
Mein Vater schilderte in bunten Bildern den Operationsverlauf und fügte gleich noch andere Familienkrankheitsgeschichten hinterher. Ich gab mir Mühe, ihn weder zu unterbrechen noch zu korrigieren, war zu erleichtert, mit Terence-Hill-Augen statt mit Rantanplan-Laune am Tisch zu sitzen. Als er aber begann, meinen Bänderriss aus der Sporthalle auf den Nürburgring zu verlagern, beschloss ich, einzugreifen. Der Auftritt eines kleinen, rothaarigen Mannes ließ mich innehalten. Er trug karierte Bermudas, ein gelbes Polohemd und einen passenden Pullover um die Schultern.
»Man hat mein Klopfen nicht gehört.« Er hatte eine Fistelstimme.
Dorothea hustete, Marleen und mein Vater standen auf. Onno schluckte den letzten Bissen runter und sagte:
»Tach, wir haben geschlossen. Es wird noch renoviert.«
Der Bermudasträger ignorierte ihn. »Mein Name ist Gisbert von Meyer, ich komme vom ›Norderneyer Inselkurier‹. Einen schönen guten Tag.«
Die Fistelstimme wurde noch höher, wenn er lauter sprach.
Dorothea verschluckte sich regelrecht, Kalli schlug ihr auf den Rücken, ohne den Mann aus den Augen zu lassen. Mir taten solche Typen immer leid. Er war zu klein, zu dünn, zu blass, zu rothaarig. Wahrscheinlich wohnte er noch bei Mutti, obwohl er schon Mitte Vierzig war. Aber das war ich auch und ich verbrachte meine Ferien mit Papa. Wer im Glashaus
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