Urlaub mit Papa
gebieten. Ich muss die potenziellen Opfer warnen, sie aufklären, wenn nicht sogar beschützen.«
Marleen und ich ergaben uns dem Lachkoller. Gisbert sprang entrüstet auf, deutete auf mich und schrie fast:
»Du lachst, Christine, dabei könntest du sein nächstes Opfer sein.«
Ich war zu keiner Antwort fähig. Gesa blieb ungerührt, zündete sich eine Zigarette an und meinte: »Das glaube ich nicht, die suchen sich doch immer alte, abgetakelte und einsame Frauen aus. Christine ist zu jung und hat viel zu wenig Kohle. Und Papa an den Hacken.« Als sie die Blicke von Frau Weidemann-Zapek und Frau Klüppersberg bemerkte, lächelte sie verlegen. »Oh, Entschuldigung, so habe ich das nicht gemeint.«
Die Mienen der Damen schienen gefroren.
Gisbert, der Retter, von Meyer klärte uns auf: »Die Vorgehensweise dieses Subjekts ist immer gleich. Er mietet sich in ein Hotel ein und bandelt mit einer Angestellten an. Ihr verspricht er die große Liebe, sie erzählt, ohne sein perfides Spiel zu durchschauen, von den anderen Gästen. Während sie arbeitet, nimmt er Kontakt zu seinen Opfern auf, und zwar immer zu alleinreisenden, älteren Damen. Wer in Frage kommt, weiß er von der Angestellten. Und denen erzählt er, man habe ihm sein Geld gestohlen, also helfen sie ihm aus. Genialer Plan. Die Polizei weiß von vier Geschädigten, eine in Leer, eine in Aurich und zwei in Emden. Dort verliert sich seine Spur. Man vermutet ihn auf den Inseln. Entweder hier oder auf Juist oder Borkum.«
Ich bemerkte Marleens Seitenblick. Sie sah zu viele Krimis, daher kam wohl auch ihr dauerndes Misstrauen. Bevor sie fragen konnte, tat ich es:
»Und wie sieht er aus?«
Gisbert von Meyer wurde durch mein Interesse befeuert. Er kramte einen Notizblock aus seiner Herrenhandtasche und blätterte darin.
»Ja, es gibt eine genaue Beschreibung. Er ist Mitte Vierzig, ungefähr 1,80 groß, normale Figur, braune Augen, volles Haar. Und er gibt sich äußerst charmant.«
»So sehen Millionen von Männern aus«, beruhigte ich mich selbst und vermied den Augenkontakt mit Marleen.
Sie hakte nach. »Und wie ist er aufgeflogen?«
GvM blätterte weiter. »Vor einer Woche war er in einem Hotel in Emden, wo er eine Kosmetikerin bezirzt hat, die in dem Hotel arbeitet. Sie ist misstrauisch geworden, als sie ihn zweimal mit älteren Damen beim Kaffeetrinken in der Stadt gesehen hat. Ihr gegenüber hat er behauptet, das erste Mal in Emden zu sein und niemanden zu kennen. Und obwohl sie so verliebt war, hat sie ihn zur Rede gestellt, er hat alles abgestritten und musste plötzlich weg, angeblich wegen geschäftlicher Termine. Er kam natürlich nicht wieder. Die Kosmetikerin hat dann mit den Damen gesprochen, und die haben ihn angezeigt.«
Auf einmal war mir sehr warm, die Luft war stickig, ich hätte gern geraucht.
Onno hatte aufmerksam zugehört. »Was kann man denn damit so verdienen?«
Auch hier hatte Gisbert mitgeschrieben. »Die vier Damen, die Anzeige erstattet haben, sind zusammen um 5000Euro betrogen worden. Die Polizei glaubt aber, dass sie nicht die Einzigen sind, es ist den meisten ja auch peinlich.«
Onno schüttelte fassungslos den Kopf. »Und ich lege für zwanzig Euro Stundenlohn Leitungen. Sag mal, Heinz, meinst du, wir kommen da noch rein?«
Gisbert sah ihn tadelnd an. »Und außerdem zahlt er nie seine Hotelrechnungen, das kommt noch dazu.«
Ich atmete erleichtert aus. Johann hatte bezahlt. Wenn auch von meinem Geld.
Marleen stand plötzlich auf. »Dann sind wir ja informiert. Ich muss los, ich will noch meine Buchführung machen. Danke für das Bier Kalli, bis morgen dann, gute Nacht.«
Bevor sie verschwand, legte sie kurz die Hand auf meine Schulter.
Mein Vater sah ihr nach, bis die Tür hinter ihr zufiel. Dann drehte er sich wieder zu uns. Seine Stimme klang aufgeregt.
»Ich wollte ja nichts sagen, so lange Marleen dabei ist, sie stellt sich immer so mit ihren Gästen an. Aber ich hatte bei diesem Mann gleich so ein komisches Gefühl, Kalli, wie heißt der noch, der mit den tückischen Augen?«
Kalli hatte keine Ahnung, dafür antworteten Weidemann-Zapek und Klüppersberg im Chor: »Thiess.«
Mir wurde immer wärmer. Mein Vater schlug auf den Tisch.
»Genau, Thiess. Der hatte was Merkwürdiges an sich. Und er hat sich gleich an Christine rangemacht. Das ist doch eindeutig.«
»Was?« Gisbert sprang schon wieder auf und starrte mich an.
»Ach, Quatsch, er hat sich doch nicht an mich rangemacht. Wir haben uns nur einmal im
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