Urlaub mit Papa
entrüstete sich sofort. »Nicht gefallen? Norderney ist doch schön. Die Strände, der Ort und dann das schöne Wetter. Ich weiß wirklich nicht, was er noch will. Was ist das denn für ein Dummkopf?«
Ich war drauf und dran, Johann zu verteidigen und alles zu erklären. Doch noch bevor ich den Mund aufbekam, ging die Eingangstür auf und Gisbert von Meyer stürmte herein. Ich stöhnte, mein Vater sprang auf und strahlte.
»Da ist er ja. Komm, setz dich zu uns.« Er wandte sich an die Damen. »Darf ich vorstellen? Frau Weidemann-Zapek, Frau Klüppersberg, die Damen wohnen in der Pension, Herr von Meyer, Journalist.«
GvM gab beiden die Hand und machte eine zackige Verbeugung. »Angenehm. Darf ich fragen, aus welcher schönen Gegend Sie kommen?«
»Aus Münster-Hiltrup.« Hannelore klimperte mit den Augenlidern. »Wir sind Geschäftsfrauen aus Münster-Hiltrup.«
»Geschäftsfrauen?« Das war meinem Vater neu. Mir auch.
»Aber ja.« Mechthild Weidemann-Zapek spürte das Interesse. »Wir führen ein Handarbeitsgeschäft.«
Darum. Ich musste sofort zur Toilette.
Im Waschraum nutzte ich die Zeit, um mein Handy zu kontrollieren. Es war eine SMS eingegangen: »Bin wieder in heimischen Gefilden, hoffe, dass sich alles schnell klärt, damit wir uns bald wiedersehen. Johann.«
Zufrieden wusch ich mir die Hände.
Als ich zurück an den Tisch kam, war der Geräuschpegel gestiegen. Hannelore Klüppersberg beschrieb ihre Eindrücke von Norderney, Mechthild unterbrach sie immer wieder und Gisbert machte sich eifrig Notizen auf einem Bierdeckel. Hier schien der morgige Artikel unseres Starkolumnisten zu entstehen. Ich sah schon die Überschriften vor mir: »Gestrickt ins Watt« oder »Münster mischt auf« oder »Maschen auf der Pirsch«.
Gisbert deutete mein unterdrücktes Lachen falsch, er lächelte mich sehnsüchtig an. Schnell setzte ich mich so, dass ich ihn nicht dauernd sehen musste, aber er hob seinen kleinen Hintern ein Stück und beugte sich vor.
»Christine, warst du eigentlich auch schon auf dem Leuchtturm? Hannelore und Mechthild waren ganz hingerissen vom Panorama. Das haben sie gerade erzählt. Es lohnt sich wirklich.«
Ich bemühte mich, nicht zu unwirsch zu klingen. »Nein.«
»Wie bitte?«
»Nein«, ich wiederholte es lauter, »nein, ich war noch nicht auf dem Leuchtturm.«
Er würde gleich einen Krampf im Oberschenkel bekommen, wenn er seine Sitzhaltung nicht änderte. »Na, wunderbar, dann hole ich dich morgen Nachmittag ab. Man kann den Turm von 16 bis 17Uhr besichtigen. Das ist sehr romantisch.«
Jetzt musste ich seinen Blick doch erwidern. »Vielen Dank, das ist sehr nett von dir, aber ich habe furchtbare Höhenangst. Du kannst ja stattdessen Heinz mitnehmen.«
»Seit wann hast du…?«
Ich trat meinem Vater auf den Fuß. Er guckte böse hoch. »Aua, du bist mir…«
Ich streichelte ihm tröstend die Hand. »Entschuldigung, ich dachte, das wäre das Tischbein. Du warst doch auch noch nicht auf dem Leuchtturm, dann kannst du das Angebot doch annehmen. Wenn es Gisbert schon so nett anbietet.«
»Na klar.« Er nickte Gisbert zu. »Dann gehen wir morgen zusammen da rauf.«
Gisberts Lächeln war dünn, er setzte sich wieder und zog einen Schmollmund.
»Sagen Sie mal, Gisbert«, Mechthild Weidemann-Zapek schien die Schlappe, die der Inseljournalist soeben eingesteckt hatte, gar nicht mitbekommen zu haben, »das muss doch ein wahnsinnig aufregender Beruf sein, den Sie hier haben. Ich kenne mich ja nicht aus. Müssen Sie über alle Themen schreiben, die es gibt?«
GvM war sofort wieder der Alte. »Ich muss nicht, Gnädigste, ich kann. Wissen Sie, die meisten Kollegen haben Vorlieben und Abneigungen. Manche Artikel gelingen Ihnen gut, andere gehen völlig daneben. Meine Interessen hingegen sind weit gespannt, so geht mir alles leicht von der Hand, wenn ich das mal so sagen darf. Ob Tourismus, Sport, Politik, Prominente, ich schreibe über alles.«
Mit einem Augenaufschlag verfolgte er die Wirkung seiner Worte. Onno gähnte, Marleen tuschelte mit Kalli, dafür sahen Hannelore und Mechthild aus wie zwei Teenies, die zum Tokio-Hotel-Konzert durften.
»Prominente auch? Wen haben Sie denn schon alles getroffen?«, rief Hannelore aufgeregt. »Sind viele Stars auf der Insel?«
Gisbert schaute sich auffällig um, dann senkte er seine Fistelstimme. »Sie wollen ihre Ruhe haben, deshalb kommen sie doch nach Norderney. Ich bitte um Ihr Verständnis, meine Damen, aber meine journalistische Ehre
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