Urlaub mit Papa
heißt und? Du weißt doch, wie alt sie ist. 50.Und ihren Freund kenne ich nicht, hat sie überhaupt einen? Kennst du den?«
Mir tat mein Herz weh. »Nein. Weißt du, was Herr Thiess hier macht?«
Gesa hob die Schultern. »Nicht genau. Ich habe ihn gefragt, warum er überall fotografiert, er hat gesagt, das wäre sein Job. Vielleicht ist er Fotograf und die Pension taucht nächstes Jahr in einem Kalender auf. Wäre doch eine tolle Werbung.«
Sein Job? Er war doch Banker! Ich mochte nichts mehr fragen, wir gingen schweigend weiter, bis wir vor Gesas Haus standen.
»Also dann, gute Nacht, Christine, bis morgen im Strandkorb. Ach übrigens, wenn er Heiratsschwindler wäre, würde er doch niemandem sagen, wo er sich gerade aufhält, oder?«
»Vermutlich nicht. Wieso?«
Gesa schloss die Haustür auf. »Weil er in der Pension mindestens vier Anrufe von einer Frau bekommen hat. Sie sagte, er hätte sein Handy aus, und hat mich gebeten, ihm zu sagen, dass er sie zurückrufen solle. Ganz nette Stimme.«
»Aha.«
Gesa drehte sich in der offenen Tür um. »Ich glaube, es war seine Frau. Sie sagte, er solle Mausi anrufen, so heißt doch keiner mit Nachnamen. Ich verstehe dann nur nicht, was er von Marleen will. Na egal, aber ein Heiratsschwindler ist Thiess garantiert nicht. Also, gute Nacht.«
»Gute Nacht, Gesa.«
Langsam ging ich zur Ferienwohnung. Ich ließ das Licht ausgeschaltet und tappte im Dunkeln auf die Terrasse. Dort setzte ich mich auf die Stufen und sah in den Sternenhimmel hinauf. Und fragte mich, in was für ein Durcheinander ich da geraten war.
Möwe, du fliegst in die Heimat
– Magda Hain –
Die laut trällernde Stimme meines Vaters weckte mich am nächsten Morgen.
»Und immer, immer wieder geht die Sonne auf…«
Ich zog mir das Kissen über den Kopf, aber das Klingeln des Telefons eine Minute später drang trotzdem durch. Einmal, zweimal, dann Dorotheas Rufe aus dem Badezimmer.
»Heinz, bist du taub? Telefon!«
»Dadadada…«, das Telefon wurde abgenommen, »guten Morgen, hier singt die ›Haifischbar‹, oh, hallo, ich dachte, es wäre Kalli. Na, mein Schatz, was macht das Knie?«
Ich warf das Kissen auf den Boden und spitzte die Ohren.
»Das ist ja schön. Siehst du, ich habe es immer gesagt, Übung macht den Meister. Tut es denn noch weh?«
Während meine Mutter redete, zog mein Vater die Luft durch die Zähne. Aha, sie schilderte die Details.
»Ehrlich?… Blaue Flecken am Oberschenkel?… Von der Kompresse? Sag bloß. Sollen wir die Klinik verklagen?«
Wieder ein Moment der Stille.
»Wirklich nicht? Das musst du entscheiden… Und du hast keine Schmerzen?… Das sieht nur nicht gut aus? Na ja, du trägst ja sowieso keine kurzen Röcke mehr.« Er kicherte. »Dann bin ich ja beruhigt. Hier?… Du, hier ist alles in Ordnung… Nein, wir verstehen uns alle prima. Ich finde, Marleen ist ein bisschen überfordert, aber das ist eigentlich auch kein Job für eine Frau, da kannst du sagen, was du willst. Ich weiß gar nicht, was sie ohne uns gemacht hätte. Ich glaube, sie ist wirklich froh, dass Kalli und ich Ordnung rein bringen. Wer?… Dorothea?«
Er senkte seine Stimme, ich setzte mich auf, um ihn besser verstehen zu können.
»Also, ehrlich, das mit den Mädchen ist wie mit einem Sack Flöhe. Wir haben einen Innenarchitekten, ich finde das ja ein bisschen albern, also, wenn Marleen uns das rechtzeitig gesagt hätte, so ein paar Pläne, wo was hinkommt, hätten Kalli und ich auch hingekriegt, weißt du, Kalli konnte früher schon so gut zeichnen… Jedenfalls, dieser Innenarchitekt, das ist so ein langhaariger Künstlertyp, man weiß ja nie bei denen. Und was passiert? Dorothea scharwenzelt gleich um ihn rum, oder er um sie, wir haben den Anfang nicht so mitbekommen.«
Ich stellte mir vor, was meine Mutter antwortete. Ganz falsch lag ich wohl nicht.
»Ich mische mich doch nicht ein, was du immer gleich von mir denkst! Nein, ich habe sie ja machen lassen, aber sie war zwei Nächte aushäusig. Ich habe doch irgendwie die Verantwortung. Gestern Abend haben wir das aber geklärt.«
Meine Mutter regte sich anscheinend auf.
»Quatsch, so bin ich auch wieder nicht… Ich weiß selbst, wie alt sie ist… Nein, nein, wir haben Carsten Jensen angerufen, von der Kneipe aus, das ist der Vater von diesem Nils, diesem Langhaarigen, Kalli kennt ihn und hat ihn zum Bier eingeladen. Um aufs Baby anzustoßen, weißt du, ganz unauffällig.«
Die arme Dorothea, ich hatte fast ein schlechtes
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