Urlaub mit Papa
Gewissen, sie mit den alten Herren allein gelassen zu haben.
»Ein ganz feiner Kerl, dieser Carsten… Nein, Dorothea und Nils waren natürlich schon weg, wir sind ja diskret. Aber wir haben uns erkundigt, wie der Junge von Carsten so ist. Das klingt aber alles ganz vernünftig, obwohl sie auch viel Kummer mit ihm hatten. Er hat ja so lange eingenässt, bis er fast sechs war, und dann hatte er so viele Pickel in der Pubertät.«
Armer Nils. Mein Vater würde von nun an ständig darauf dringen, dass er rechtzeitig zur Toilette ging.
»Aber das ist jetzt alles in Ordnung. Und ernähren kann er Dorothea auch, Carsten wusste genau, was sein Sohn verdient. Der hilft uns jetzt auch noch ein bisschen mit… Wer?… Carsten Jensen natürlich, in drei Tagen ist ja schon die Einweihung.«
Na, wunderbar, jetzt waren die Wonderboys der Baustelle schon zu viert. Ich setzte mich auf den Bettrand und zog mir Socken an. Das Gespräch ging wohl in die letzte Runde, mein Vater bekam wohl noch Anweisungen von meiner Mutter, seinen kurzen Antworten nach zu schließen. Ich stand auf, um ins Bad zu gehen, blieb jedoch gerade noch rechtzeitig an der Tür stehen.
»Ach, das habe ich dir noch gar nicht erzählt, stell dir vor, wir konnten gerade noch verhindern, dass Christine einem Heiratsschwindler zum Opfer fällt. Also, ich habe mir gleich gedacht, dass da etwas im Busch ist… Ja, genau, dieser Typ, von dem ich dir erzählt habe, der mit dem stechenden Blick… Was?… Ach, tückische Augen ist dasselbe… Woher ich das weiß? Mein neuer Bekannter, Gisbert, der von der Zeitung, hat das aus erster Hand. Dieser Ganove macht sich übers Hotelpersonal an alte Damen ran und nimmt sie aus, wie die Weihnachtsgänse. Das hat er hier auch versucht… Nein, bis zu den alten Damen ist er gar nicht gekommen, er hat nur Christine angebaggert, da wurde ich schon misstrauisch. Wie bitte?… Natürlich hat er das gemerkt, er hat bezahlt und ist geflohen… Doch, er hat bezahlt, aber wer weiß denn, mit welchem Geld?… Aber es ist trotzdem eine Flucht… Mach dir mal keine Sorgen, ich bin auf der Hut, der traut sich nicht mehr hierher. Norderney ist für ihn verbrannte Erde… Natürlich bin ich mir sicher, wir haben gestern Abend noch einen Freund von Gisbert angerufen, der in Bremen wohnt. Ihn haben wir zu der Adresse geschickt, wo dieser Thiess wohnt. Und jetzt halt dich fest: In dem Haus gibt es gar keinen Johann Thiess!«
Ich holte Luft. Falls Gisbert von Meyer überhaupt einen Freund hatte, der noch dazu in Bremen wohnte, was, um alles in der Welt, sollte den bewegen, mitten in der Nacht auf fremde Klingelschilder zu starren? Absurd! Ich war die Tochter meiner Mutter.
»Wieso? Was weiß ich, Gisbert hatte wohl noch etwas gut bei ihm. Und außerdem wohnt er nur zwei Straßen weiter… Woher wir die Adresse wussten? Na, er hat doch einen Meldezettel ausgefüllt… Nein, Marleen hat einen Kopierer.«
Ich konnte meinen Vater von der Tür aus sehen, er stand mit dem Rücken zu mir. Jetzt zog er den Kopf ein.
»Wieso regst du dich so auf? So ein Meldezettel ist keine Stasi-Akte, den kann man doch kopieren. Warum denn nicht?… Du bist genauso leichtgläubig wie deine Tochter… Wenn er unschuldig wäre, hätte er nicht fliehen müssen… Nein, das haben wir noch nicht gemacht. Wir werden heute Mittag einen kleinen Bericht für die Polizei schreiben, vielleicht kann Dorothea den Verbrecher auch zeichnen. Ja, das ist überhaupt eine gute Idee, also…«
»Wen kann ich zeichnen?« Dorothea war im Bademantel mit nassen Haaren aus dem Badezimmer gekommen und baute sich vor meinen Vater auf. Er lächelte sie an.
»Da kommt ja die geduschte Künstlerin. Also, dann pass auf dich auf und trainiere dein Bein. Ich halte dich auf dem Laufenden, bis später, tschüss.«
Er legte auf und sah mich in der Tür stehen. »Aha, du bist auch schon wach. Schöne Grüsse von deiner Mutter. Es geht ihr gut.«
»Wen soll ich denn jetzt zeichnen?«, hakte Dorothea nach.
»Na, diesen Thiess. Die Polizei braucht ein Phantombild.«
»Ihr habt doch einen Vogel!« Ich ging an meinem Vater und Dorothea vorbei ins Bad. »Herr Thiess kommt heute oder morgen wieder, er hatte nur etwas zu erledigen, außerdem hat er sein Zimmer bezahlt, euer Heiratsschwindler ist aber ein Zechpreller.«
Mein Vater hob den Zeigefinger. »Er hat gemerkt, dass ich ihm auf die Spur gekommen bin. Und seine Adresse war falsch.«
Dorothea, die Teile des Telefonats anscheinend ebenfalls
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