Urmel im Vulkan
Wendung nehmen.
Das Urmel im Käfig war sprachlos, ganz und gar verstummt.
Gluto aber war ganz und gar nicht stumm. Er gebärdete sich wild, sprang und
tobte im Gewölbe umher, warf Tiegel und Töpfe um, schüttelte die Fäuste und
rollte die Edelsteinaugen. Dann warf er sich vor mir auf die zerschundenen Knie
und rief: »O du Holde! Du meine Kohle, mein Pech, mein Erdölchen! Werde die
Meine, schwarze, ritterliche Schönheit!«
Die Qualmgeister Solfatel und Mofettel zogen sich
verschüchtert in eine Ecke hinter den Amboß zurück. Sie säuselten: »Schon
wieder einmal, sissssss... alle hundert Jahre willst du jemand anderen
heiraten, hihihihi... so schön ist die doch wirklich nicht!«
»Aber ich meine es ernst!« polterte Gluto. »Ernst, ernster,
feuerernst! Wenn du mein Weib wirst, du holde Schwarze, dann wirst du reich
sein. Ich habe Edelsteine ohne Zahl, Bodenschätze... Meine Eltern sind
allmächtig. Sie werden uns verwöhnen.«
Ich dachte, daß er mir jetzt viel sympathischer erschien als
zuvor. Seine Augen waren richtig schön. Sie leuchteten so eigentümlich, öfföff
— war das alles wohl ein Werk der Schweinefee?
Dem gelblichen Mofettel wurde die Sache immer unangenehmer. Es
fiel ihm nichts Besseres ein, als das Urmel mit der größten aller glühenden
Zangen in die äußerste, empfindlichste Schwanzspitze zu zwicken. So mit aller
Kraft...
Da brüllte das Urmel laut, mein armes. Der Schrei fuhr oben
zur Krateröffnung hinaus. Später erfuhr ich, daß Wawa es mit gespitzten Ohren
gehört und zu Ping Pinguin gesagt hatte: »Der Vulkan scheint wieder
austschubrechen.«
Mich aber brachte der Schmerz, der meinem Liebling zugefügt
wurde, wieder zur Besinnung. Ich fuhr auf Solfatel und Mofettel zu und grunzte:
»Was fällt euch ein! Hinaus mit euch!«
Natürlich erwartete ich ein Donnerwetter von Gluto. Aber
seltsamerweise schloß sich dieser meinem Befehl an. Er grollte: »Ja, hinaus mit
euch, ihr Lümmel, hinaus! Geht qualmen!«
Solfatel und Mofettel zogen sich überrascht in die Länge und
verdampften durch die Krateröffnung aufwärts. Dabei zogen sie mir und dem Urmel
unheilverkündende Fratzen.
Gluto jedoch wandte sich mir sehr liebevoll zu: »Da siehst du,
daß ich es ernst meine. Aber ich will dir noch einen weiteren Beweis meiner
Zuneigung geben: Verlange etwas von mir, bitte mich um etwas. Meine Macht ist
groß, wenn sie ausreicht, werde ich dir den Wunsch erfüllen.«
Ich wußte viele Dinge, die ich mir hätte wünschen können. Aber
ich erwog Großes, Überwältigendes, Himmel und Erde Umspannendes. Da piepste das
Urmel: »Ich will hier raus!« Das brachte mich auf den Boden der Wirklichkeit
zurück. »Laß mein Urmel frei, und zwar augenblicklich! Es soll ungehindert
fortziehen können, wohin es will, öfföff!« Ich fand mich sehr klug: Wenn Gluto
feststellte, daß meine Haut weiß war, sollte das Urmel wenigstens in Sicherheit
sein.
Doch das Urmel quiekte wieder: »Nein! Ohne Wutz gehe ich
nicht!«
Da zeterte Gluto: »Alles, alles, nur das nicht! Verlange
Edelsteine so groß wie Taubeneier, verlange ein ganzes Kohlenbergwerk, eine
Ölquelle — aber laß mir den grünen Piepmatz im Käfig! Seit ich klein war, habe
ich mir so einen Piepmatz im Käfig gewünscht.«
»Ich bin kein Piepmatz!« piepste das Urmel.
»Seine Freiheit verlange ich, öfföff! Hältst du so deine
Versprechen? Gib ihn sofort frei, oder ich verlasse dich auf der Stelle!«
»Aber nicht ohne mich!« jammerte das Urmel.
Gluto zeterte noch eine Weile. Aber ich setzte meinen Willen
schließlich durch. Gluto schloß den Käfig auf. Das Urmel kletterte heraus. »Herzlichen
Dank«, sagte es. Es umarmte mich. Doch Gluto legte ihm die Hand auf die
Schulter und sagte: »Niemand darf meine Braut umarmen.« Seine Kristallzähne
blitzten.
»Ja — dann: herzlichen Glückwunsch zur Verlobung«, maunzte das
Urmel. Es reichte uns beiden die Hand, war aber sichtlich verlegen.
Ich wußte auch nicht, was aus dem allem werden sollte. Nie im
Leben würde ich den schwarzen Klotz heiraten, soviel stand fest. Lieber tötete
ich mich. Doch vorher mußte ich noch viel erreichen. »Verzieh dich!« flüsterte
ich dem Urmel zu.
»Soll ich den Professor zur Hochzeit einladen?« fragte das
Dummerle unschuldig.
Aber jetzt geriet Gluto in Wut. »Nie — nie!« schrie er. »Nie
will ich diesen Neunmalgescheiten sehen! Er ist mein Feind! Er will hinter
meine Geheimnisse kommen! Er schnüffelt hinter mir her, untersucht die Vulkane,
den
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