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Utopolis

Utopolis

Titel: Utopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Illig
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ihr offenbar auch nicht gleichgültig war, wälzte ich schüchterne Heiratsgedanken, wagte mich aber nicht damit heraus. Die Utopier dachten in allen Stücken anders als wir. Ich wollte nicht ausgelacht werden.
    Zum Glück fehlte es nicht an Ablenkung.
    Die Jugendgenossen fragten mir die Seele aus dem Leib. Sie wollten von mir, als Augenzeugen, bis in die geringsten Kleinigkeiten wissen, wie es jenseits von Utopien in der Welt aussehe. Besonders ausgiebig mußte ich vom großen Weltkrieg erzählen. Des Staunens und Wunderns war kein Ende. Vor allem wollten sie nicht glauben, daß die Proletarier der verschiedenen Nationen, die sich der Internationale zugelobt hatten, einander als Feinde totgeschossen und -gestochen hatten.
    »Wie dumm, wie dumm!« schrie ein zehnjähriger Knirps und schlug einen Purzelbaum auf der Wiese. »Wie dumm!« riefen die anderen im Chor und schüttelten verwundert die Köpfe.
    Ich antwortete verärgert, man dürfe den gewaltsamen Tod von Millionen Menschenbrüdern nicht mit so leichtfertigen Worten abtun. Jana fiel mir in die Rede: »Warum nicht?« sagte sie. »Die Genossen in Europa und Amerika kannten die Verlogenheit der kapitalistischen Presse und ließen sich doch von ihr zum Massenmord begeistern. Sie wußten, daß die Herstellung von Granaten, Minen, Gasen durch einen Weltrü stungs streik augenblicklich hätte unterbunden werden kön nen, streikten aber nicht. Wir nennen dergleichen dumm und haben kein Mitleid mit Leuten, die durch ihre eigene Torheit umkommen.«
    Ich versuchte, nun wenigstens durch den Veitstanz der Milliarden und Billionen aus der Inflationszeit meinen Zuhörern zu imponieren. Da kam ich aber schön an.
    »Kennen wir!« riefen sie durcheinander und forderten lachend Jana auf, mir die Geschichte von Ludo Stinkes zu erzählen.
    »Ludo Stinkes«, hub sie an, »war Besitzer von Bergwerken, großen Industrie Werkstätten und der einflußreichste Bankier von Utopia. Sein Lieblingsplan war, das ganze Verkehrsnetz des Landes, Eisenbahnen und Schiffahrt, in seine Hände zu bekommen. So gewaltig nun aber auch seine Mittel waren, wußte er doch, daß sie nicht ausreichten, den großen Nationalbesitz an sich zu bringen. Er entwertete daher durch viele Kniffe und bestochene Politiker das Geld, ramschte zusammen, was erreichbar war, und bezahlte mit wertlosen Scheinen.
    Die Arbeitergenossenschaft, der es bis dahin nicht viel besser gegangen war als bei euch, erkannte den günstigen Augenblick. Sie ließ sofort ihre sämtlichen Druckmaschinen Banknoten drucken.
    Tag und Nacht. Wochenlang konnten die Zeitungen nicht erscheinen. Durch zuverlässige Mittelsmänner, die sich den Anschein von zunftmäßigen Kapitalisten gaben, kaufte sie alle Wasserkräfte des Landes und die ganze Meeresküste an. In den größten Werkzeugfabriken wurden Streiks provoziert und scheinbare Zerstörungen angerichtet. Die Aktien fielen gewaltig, und wir kauften die Mehrheit für einen Pappenstiel. Im Höhepunkt der Bewegung wurde plötzlich Generalstreik der Eisenbahner verkündet und am gleichen Tage entwaffnete das gesamte Proletariat die Polizeitruppe. Die sofort gebildete Arbeiter-Regierung übernahm den Schutz der Nationalgüter und erklärte die bisherige Verwaltung für unmündig. Die Spitzen der alten Behörden wurden, soweit sie sich widerspenstig zeigten, als unartige Kinder in Erziehungsheime geschickt, wo sie praktischen Unterricht in Gemeinschaftsarbeit erhielten.
    Es war eine rechte Freude, den Herren Sekretären, Räten und Anwälten des Unrechts zuzusehen, wenn sie im Takte Straßen pflasterten oder unter kräftigem »Zu-gleich!« Balken trimmten.
    Die Genossenschaft aber war im Besitz der Produk tionskräfte. Wir bauten die ungeheuren Fernkraftwer ke, die die Gewalt des Meeres und der Ströme in Elektrizi tät umsetzten, und haben das Monopol der Energie.
    Stinkes floh auf seiner Jacht noch rechtzeitig nach Europa, in der Hoffnung, dort Dümmere als uns zu finden.«
    »Das walte Gott!« vollendete ich nachdenklich.
     
    Ich beteiligte mich am Unterricht, hatte aber wenig Gewinn davon, weil mir alle Unterlagen fehlten. Selbst wenn ich, wie es bei den Kindern geschah, im Lehrschlaf die Grundelemente gelernt hätte, so fielen doch alle Zwischenglieder aus, vor allem in den naturwissenschaftlichen Fächern, die einen breiten Raum einnahmen. Überhaupt wunderte ich mich, daß die Jungens und Mädels geradezu eine Leidenschaft für Ma thematik entwickelten. Von dieser hatte ich bisher mei ne

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