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Vaclav und Lena

Vaclav und Lena

Titel: Vaclav und Lena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haley Tanner
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Vaclav?«
    Vaclav versucht, Ms. Bisbano zu sagen, wie leid es ihm tut und wie er es schnellstens wiedergutmachen und sogar während der Mittagspause im Gebäude bleiben will, aber als er den Mund zum Reden aufmacht, kommt nur ein Weinen heraus.
    Ms. Bisbano beugt sich näher zu Vaclav. »Schon gut. Geh auf die Toilette und putz dir die Nase, wir können nach dem Unterricht darüber sprechen.«
    Vaclav versucht zu sagen, ja, das ist gut, aber seine Stimme wird von weiteren Tränen erstickt, die ihm die Kehle hochsteigen.
    Vaclav schaut zu Lena hinüber, und sie schaut weg. Alle anderen sehen ihn an. Nur Lena schaut weg.
    |50| Manchmal ist einem trotz Kälte warm, manchmal ist es auch im Sommer kalt
    Als Vaclav von der Toilette zurück in die ES L-Stunde kommt, sagt Ms. Bisbano, seine nicht gemachten Hausaufgaben würden gestrichen, wenn er sie am nächsten Tag vorzeige, denn er habe noch nie eine Aufgabe versäumt, und Vaclav fühlt sich gleich viel besser. Er hat keine Möglichkeit, mit Lena zu sprechen, denn Lena ist nicht in seiner Projektgruppe, und nach dem Unterricht verschwindet sie schnell mit Marina und Kristina, noch bevor Vaclav seine Bleistifte und Radiergummis zusammenpacken kann.
    Der Rest des Tages vergeht sehr langsam, und obwohl Vaclav sich alle Mühe gibt, aufzupassen, wandern seine Augen doch immer wieder zur Wanduhr. Nach der Schule wartet Vaclav draußen auf Lena. Er steht an einer Stelle, wo er jeden sehen kann, der aus einer der beiden Türen herauskommt, und alle können ihn sehen. Er weiß, dass Lena ihm, wenn sie das Schulgebäude verlässt, von hier aus nicht entgehen kann. Um sicher zu sein, dass sie jeden Tag zusammen gehen, wartet Vaclav morgens vor ihrem Haus und nachmittags vor der Schule. Während er so dasteht, fragt sich Vaclav einen kurzen Augenblick lang, ob Lena auch auf ihn warten würde, wenn er einmal nicht auf sie wartete, aber er weiß, das ist albern und ja, natürlich würde sie das tun.
    Vaclav steht wartend da und denkt über den Schulhof nach. Im Winter, wenn es draußen bitterkalt ist und überall Schnee liegt, der vom Splitt verdreckt ist und sich mit dem gefrorenen |51| Boden darunter vermischt, erinnert das Vaclav an seine Mutter beim Backen, wenn sie weißen Zucker, Vanille, braunen Zucker, Butter und ein Ei miteinander vermengt. Dadurch sieht der dreckige Schnee nach etwas Gutem und Wundervollem aus, und Vaclav wird es warm, trotz der Kälte.
    Ja, denkt Vaclav, manchmal kann einem selbst bei Kälte warm ums Herz sein. Man hat Menschen oder Gedanken an Menschen, die wie ein Feuer wärmen oder einem das Gefühl geben, man sei ein Eskimo, dem extreme Kälte nicht wirklich etwas ausmacht, auch wenn die extreme Kälte spürbar ist. Zu anderen Zeiten hat man vielleicht das Gefühl, dass alles in der Welt aus irgendeinem Grund kalt ist, und zwar nur für einen selbst, und man sieht vielleicht, wie die anderen sich am Feuer wärmen, und glaubt, man würde ewig frieren. Manchmal kann es einem sogar im Sommer kalt sein.
    Im Augenblick ist Herbst, und es weht eine frostige Brise, aber Vaclav wartet auf Lena, und er kann die Sonne auf seinem Gesicht spüren, und ihm ist warm ums Herz.
    Aber als er immer länger wartet, wird ihm immer kälter, besonders, als er die Kinder aus der Schule kommen sieht. Einige sind Geschwister, die sich hassen und lieben, einige sind Freundinnen, die kichern, andere Schulfreunde, die hinausrennen, um auf dem Asphalt Ball zu spielen, und einige sind kleine Kinder aus Guatemala, deren Mütter bereits dabei sind, ihnen die warmen, in knusprigem Zucker gewälzten Churros von der Frau an der Ecke zu kaufen.
    Plötzlich erscheint Lena mit vier Mädchen aus ihrer Klasse. Sie schaut Vaclav direkt in die Augen, öffnet den Mund und lacht laut heraus über etwas, was eines der Mädchen gesagt hat. |52| Dann drehen sich alle um und gehen zur Straße, als wäre der wartende Vaclav in dieser zentralen Position, wo er jeden sehen kann und jeder ihn, einfach Luft.
    Vaclav folgt Lena und ihren neuen Freundinnen, den Blick nur auf den Bürgersteig gerichtet, der unter seinen Füßen hinweggleitet, während er den langen Weg von der Avenue P zur Avenue U und zur Siebten Straße geht. Am Haus von Lenas Tante sieht er, wie Lena sich aus der Menge löst, ihre Haare schüttelt und die Treppe zur Eingangstür hinaufläuft, eintritt und die Tür hinter sich zumacht, ohne zurückzublicken und Vaclav anzusehen, der allein dasteht und friert.
    Die Träume eines Zauberers

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