Vaeter und Soehne
erwiesen …«
»Schon wieder ein fremdes Wort,« erwiderte Bazaroff. Er fing an, ärgerlich zu werden, und sein Gesicht hatte eine unangenehme Kupferfarbe angenommen. »Vor allen Dingen sage ich Ihnen, wir predigen nicht; das liegt nicht in unserer Art.«
»Was tut ihr denn?«
»Das will ich Ihnen sagen. Wir haben damit angefangen, die Aufmerksamkeit auf diese Leuteschinder von Beamten, auf den Mangel an Straßen, auf die geringe Entwicklung von Handel und Wandel, auf die Art und Weise zu lenken, wie bei uns Justiz geübt wird.«
»Ja ja, ihr seid Denunzianten, Divulgatoren; das ist, wenn ich nicht irre, der Name, den man euch gibt. Ich bin mit eurer Kritik großenteils einverstanden, aber …«
»Ferner haben wir bald eingesehen, daß es nicht hinreicht, über unsere fressenden Wunden zu schwatzen, was schließlich doch nur auf platten Doktrinarismus hinausliefe, wir haben uns überzeugt, daß unsere vorgeschrittenen Männer, unsere ›Divulgatoren‹, durchaus nichts leisteten, daß man sich damals mit Dummheiten beschäftigte, wie z.B. mit der Kunst um der Kunst willen, mit der ihrer selbst unbewußten schöpferischen Kraft, dem Parlamentarismus, der Notwendigkeit der Advokaten und mit tausend andern solchen Alfanzereien, während wir an unser tägliches Brot denken sollten, während uns der krasseste Aberglaube erstickt, während alle unsere Aktiengesellschaften aus Mangel an ehrlichen Leuten Bankerott machen, während sogar die Aufhebung der Leibeigenschaft, womit sich die Regierung so viel zu schaffen macht, am Ende nicht einmal Gutes stiftet, weil unser Bauer imstande ist, sich selbst zu bestehlen, um in die Kneipen zu laufen und vergiftete Getränke zu saufen.«
»Gut,« erwiderte Paul, »ganz gut. Ihr habt das alles herausgefunden und seid dennoch nicht entschlossen, etwas Ernsthaftes zu unternehmen.«
»Doch, wir sind dazu entschlossen,« erwiderte Bazaroff rauh, brach aber plötzlich ab und machte sich Vorwürfe, vor diesem Edelmann so weit mit der Sprache herausgegangen zu sein.
»Und ihr beschränkt euch darauf, zu schimpfen?«
»Wir schmähen, wo es nötig ist.«
»Und das heißt man also Nihilismus?«
»Jawohl, das heißt man Nihilismus!« wiederholte Bazaroff, diesmal jedoch in besonders herausforderndem Ton.
Paul blinzte ein wenig mit den Augen.
»Recht so!« sagte er mit sichtlich erzwungener Ruhe. »Der Nihilismus soll also alles heilen, und ihr seid unsere Erretter, unsere Helden. Vortrefflich! Aber warum schmäht ihr denn so auf die andern, auf die, welche ihr Schwätzer nennt? Schwatzt ihr denn nicht wie sie?«
»Pah! Wenn wir uns einen Vorwurf zu machen haben, so ist es gewiß nicht der,« murmelte Bazaroff zwischen den Zähnen.
»Wie? Bildet ihr euch wirklich ein, zu handeln oder auch nur die Aktion vorzubereiten?«
Bazaroff schwieg; Paul erbebte, fand aber rasch die Fassung wieder.
»Hm! … handeln, umstürzen,« fuhr er fort; »aber wie kann man umstürzen, ohne auch nur zu wissen, warum man umstürzt?«
»Wir stürzen um, weil wir eine Kraft sind,« sagte Arkad pathetisch.
Paul sah seinen Neffen an und lächelte.
»Jawohl, die Kraft hat keine Rechenschaft zu geben,« setzte Arkad hinzu und richtete sich hoch auf.
»Unglücklicher!« rief Paul, außerstande, sich länger zu halten. »Wenn du dir nur wenigstens darüber Rechenschaft geben wolltest, was du in Rußland mit deiner lächerlichen Phrase behauptest! Das ist doch wahrlich zu stark; es gehört die Geduld eines Engels dazu, all das zu ertragen! Die Kraft! Daran fehlt es auch dem wilden Kalmücken und dem Mongolen nicht; aber wozu kann sie uns dienen? Was uns teuer sein muß, das ist die Zivilisation; ja ja, meine lieben Herren, die Früchte der Zivilisation. Und sagt mir nicht, daß diese Früchte wertlos seien; der schlechteste Schmierer von einem Schildermaler, der elendeste Fiedler, der um fünf Kopeken den ganzen Abend Polkas und Walzer spielt, sind nützlicher als ihr; sie sind doch Repräsentanten der Zivilisation und nicht der plumpen Kraft der Mongolen! Ihr haltet euch für vorgeschrittene Leute, und euer eigentlicher Platz wäre in einer kalmückischen Kibitke. Die Kraft! Bedenkt doch, ihr Herren von der Kraft, daß ihr im ganzen ein Dutzend seid, und daß die andern nach Myriaden, nach Millionen zählen, und daß diese euch nicht erlauben werden, ihren heiligsten Glauben mit Füßen zu treten; sie werden euch zermalmen!«
»Wenn sie uns zermalmen, so müssen wirs uns gefallen lassen,« erwiderte
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