Vaeter und Soehne
sprechen?« sagte Bazaroff, »beschäftigen wir uns lieber mit Madame Odinzoff. So heißt sie ja wohl, nicht wahr? Wer ist diese Dame?«
»Sie ist göttlich! göttlich!« rief Sitnikoff. »Ich werde euch ihr vorstellen. Sie ist sehr klug, sehr vermögend und Witwe. Unglücklicherweise ist sie geistig noch nicht genug entwickelt, sie sollte sich unserer Eudoxia mehr nähern. Ich trinke auf Ihre Gesundheit, Eudoxia! Stoßet an! Kling, kling, kling! Gluck, gluck, gluck!«
»Viktor, Sie sind ein leichtsinniger Mensch!«
Das Frühstück dauerte noch lange. Der ersten Flasche Champagner folgte eine zweite, dritte und selbst eine vierte. Eudoxia schwatzte ununterbrochen. Sitnikoff hielt ihr stand. Sie stritten sich lange, was die Ehe sei, ob ein Vorurteil oder ein Verbrechen; sie untersuchten die Frage, ob die Menschen alle mit denselben Anlagen geboren werden oder nicht, und worin eigentlich die Individualität bestehe. Es kam endlich so weit, daß Eudoxia, die Wangen vom Wein entflammt, mit ihren platten Nägeln auf den Tasten ihres verstimmten Pianos herumhämmerte und mit heiserer Stimme zuerst Zigeunerlieder und dann die Romanze von Seimour Shiff: »Granada träumt im Schlafe« sang. Sitnikoff, eine Schärpe um den Kopf, spielte den schwärmenden Liebhaber. Als die Sängerin an die Worte kam:
In meiner Küsse Glut
Eint meine Lippe sich der deinen,
konnte sich Arkad nicht länger halten. »Meine Herren,« rief er laut, »das fängt an, etwas nach dem Narrenhaus zu schmecken!«
Bazaroff hatte sich darauf beschränkt, hie und da eine spöttische Bemerkung dazwischenzuwerfen, und beschäftigte sich hauptsächlich mit dem Champagner; er gähnte überlaut, erhob sich und ging mit Arkad weg, ohne Abschied zu nehmen. Sitnikoff rannte ihnen nach.
»Nun, nun?« fragte er, untertänigst von einem zum andern laufend, »hab ichs Ihnen nicht gesagt, daß sie eine merkwürdige Persönlichkeit ist? Das ist ein Weib, wie wir viele haben sollten; sie ist in ihrer Art ein Phänomen im Gebiet der höheren Sittlichkeit!«
»Gehört diese Anstalt deines Vaters vielleicht auch ins Gebiet der höheren Sittlichkeit?« fragte Bazaroff, auf eine Branntweinschenke zeigend, an der sie soeben vorübergingen.
Sitnikoff antwortete mit seinem gewöhnlichen gewaltsamen Lächeln. Er errötete über seine Herkunft und wußte nicht, sollte er sich von Bazaroffs unerwartetem Duzen geschmeichelt oder beleidigt fühlen.
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Vierzehntes Kapitel.
Der Ball beim Gouverneur fand einige Tage später statt. Matthias Ilitsch war in der Tat der Held des Festes. Der Adelsmarschall erklärte jedem, ders hören wollte, daß er nur ihm zu Ehren gekommen sei. Der Gouverneur selbst fuhr, mitten im Ball und ohne seinen Platz zu verlassen, fort, mit ängstlicher Sorge der Regierungsgeschäfte zu warten. Matthias Ilitschs Leutseligkeit tat der Majestät seiner Manieren keinen Eintrag. Er sagte jedem etwas Schmeichelhaftes; diesem mit einem Anflug von Geringschätzung, jenem mit einem Anflug von Achtung; er überhäufte die Damen mit Artigkeiten wie ein echter französischer Chevalier und lachte unaufhörlich mit jenem lauten Gelächter ohne Widerhall, wie sichs für einen großen Herrn schickt. Er klopfte Arkad auf die Schulter und nannte ihn mit erhobener Stimme seinen lieben Neffen; Bazaroff, der einen etwas überjährigen Frack angelegt hatte, beehrte er mit einem zerstreuten, aber doch wohlwollenden Seitenblick und mit einem liebenswürdigen Gemurmel, worin man nur das Wort »ich« und die Endung »ßerst« unterscheiden konnte. Er streckte Sitnikoff einen Finger hin und lächelte, aber mit abgewandtem Gesicht; er warf sogar der Madame Kukschin, die ohne Krinoline und mit schmutzigen Handschuhen, aber mit einem Paradiesvogel im Haar den Ball besuchte, ein »Entzückt« zu. Die Gesellschaft war zahlreich und es fehlte nicht an Kavalieren. Die Herren im Frack drückten sich meist an den Wänden hin, während die Militärs mit Leidenschaft tanzten, besonders einer von ihnen, der fast sechs Wochen in Paris gewesen war und von dort gewisse charakteristische Ausdrücke, wie:
ah, fichtrrre, pst pst, mon bibi
usw., mitgebracht hatte. Er sprach sie mit Vollendung, mit echtem Pariser Schick aus, was ihn jedoch nicht hinderte,
»si j’aurais«
statt
»si j’avais«
zu sagen und
»absolument«
in der Bedeutung von
»certainement«
zu gebrauchen; kurz er sprach jenes Russisch-Französisch, worüber sich die Franzosen lustig machen, wenn sie’s nicht für nötig
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