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Vaeter und Soehne

Vaeter und Soehne

Titel: Vaeter und Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivan Sergejevich Turgenev
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Rückkunft in den Gasthof eine umgebogene Karte vor, welche auf der einen Seite den Namen Sitnikoff mit lateinischen, auf der andern mit slawischen Lettern trug.) Ich hoffe doch, Sie sind nicht beim Gouverneur gewesen?«
    »Hoffen Sie nicht? Wir kommen von ihm her.«
    »Ah, dann gehe ich auch hin. Eugen Wassilitsch, stellen Sie mich doch Ihrem Herrn … diesem Herrn vor.«
    »Sitnikoff – Kirsanoff,« murmelte Bazaroff, ohne anzuhalten.
    »Es freut mich sehr,« hob Sitnikoff, gegen Arkad gewendet, mit anmutigem Lächeln an, während er seine Handschuhe, die von der ausgezeichnetsten Eleganz waren, rasch auszog. »Ich habe schon viel von Ihnen reden hören. Ich bin ein alter Bekannter von Eugen Wassilitsch und darf mich sogar seinen Schüler nennen. Ich verdanke ihm meine Umwandlung.«
    Arkad warf die Augen auf den umgewandelten Schüler Bazaroffs; sein kleines, glattes Gesicht und seine regelmäßigen Züge hatten einen unruhigen, gespannten, aber beschränkten Ausdruck; seine Augen blickten stier und unstet zugleich, sein Lachen sogar, kurz und trocken, hatte etwas Wirres.
    »Sie werden mir kaum glauben,« fuhr er fort; »als Eugen Wassilitsch mir zum erstenmal erklärte, man brauche keine Autorität anzuerkennen, empfand ich eine solche Freude … ich fühlte mich wie neugeboren! Endlich doch einmal ein Mann! sagte ich mir. Apropos, Eugen Wassilitsch, Sie müssen notwendig eine hiesige Dame besuchen, die ganz auf Ihrer Höhe steht, und für die Ihr Besuch ein wahres Fest sein wird; Sie müssen schon von ihr gehört haben.«
    »Wer ists?« fragte Bazaroff gelangweilt.
    »Eudoxia Nikitischna Kukschin. Das ist eine merkwürdige Natur, emanzipiert im vollsten Sinne des Wortes, ein wahrhaft fortgeschrittenes Weib, müssen Sie wissen! Laßt uns jetzt gleich alle drei zu ihr gehen, sie wohnt zwei Schritt von hier. Wir frühstücken da … ihr habt doch noch nicht gefrühstückt?«
    »Nein.«
    »Vortrefflich! Sie lebt natürlich getrennt von ihrem Mann und ist unabhängig …«
    »Ist sie hübsch?« fragte Bazaroff.
    »Nein, das kann ich nicht sagen.«
    »Warum zum Teufel sollen wir sie dann besuchen?«
    »Scherz beiseite, sie wird uns eine Flasche Champagner auftischen.«
    »Wahrhaftig! Der praktische Mann verrät sich bald. Apropos, macht Ihr Vater immer noch in Branntwein?«
    »Ja,« erwiderte Sitnikoff rasch mit erzwungenem Lächeln. »Nun, kommen Sie mit?«
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
    »Du wolltest ja Beobachtungen anstellen,« sagte Arkad halblaut.
    »Und Sie, Herr Kirsanoff,« fügte Sitnikoff hinzu, »Sie kommen doch auch? Wir gehen nicht ohne Sie.«
    »Wir können doch nicht alle drei nur so ins Haus fallen …«
    »Das tut nichts. Die Kukschin ist ein gutes Ding.«
    »Sie wird uns also eine Flasche Champagner auftischen?« wiederholte Bazaroff.
    »Drei,« rief Sitnikoff, »ich stehe dafür.«
    »Womit?«
    »Mit meinem Kopf.«
    »Des Papas Beutel wäre ein besseres Pfand gewesen. Aber gleichviel, gehen wir hin!«

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Dreizehntes Kapitel.

    Das kleine Haus in moskowitischem Geschmack, welches Eudoxia Nikitischna Kukschin bewohnte, lag in einer Straße, welche erst kürzlich abgebrannt war; bekanntlich brennen unsere Landstädtchen alle fünf Jahre ab. An der Eingangstüre neben einer schief angenagelten Visitenkarte hing ein Glockenzug; eine Frau in einem Häubchen, ein Mittelding zwischen Dienerin und Gesellschaftsdame, kam den Besuchern im Vorzimmer entgegen. Lauter Zeichen, daß die Herrin des Hauses eine Freundin des Fortschritts war. Sitnikoff fragte nach Eudoxia Nikitischna.
    »Ah, Sie sinds, Viktor!« rief eine Fistelstimme aus dem Nebenzimmer; »nur herein!« Sofort verschwand die Frau im Häubchen.
    »Ich bin nicht allein,« sagte Sitnikoff und warf einen Blick voll Zuversicht auf seine beiden Freunde, während er ungeniert seinen polnischen Überrock ablegte, unter dem eine Art englischen Sackpaletots zum Vorschein kam.
    »Das tut nichts,« erwiderte Eudoxia Nikitischna, »nur herein!«
    Die jungen Leute gehorchten. Das Zimmer, in das sie eintraten, glich mehr einem Arbeitskabinett als einem Salon. Papier, Briefe, russische Revuen, deren Blätter größtenteils unaufgeschnitten waren, lagen auf den staubigen Tischen; überall waren halbgerauchte Zigarren umhergeworfen. Die Herrin des Hauses lag nachlässig auf einem Ledersofa; sie war noch jung, hatte blonde Haare und ein Spitzentuch um den Kopf geschlungen; ihre kurzfingerigen Hände waren mit schweren Brasseletten geschmückt. Sie

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