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Vaeter und Soehne

Vaeter und Soehne

Titel: Vaeter und Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivan Sergejevich Turgenev
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stand auf, zog eine mit vergilbtem Hermelin gefütterte Samtmantille nachlässig über die Schultern, sagte mit schmachtender Stimme zu Sitnikoff: »Guten Tag, Viktor,« und drückte ihm die Hand.
    »Bazaroff – Kirsanoff,« sagte dieser kurz, indem er Bazaroffs Art, vorzustellen, nachäffte.
    »Willkommen, meine Herren,« sagte Madame Kukschin; und die runden Augen, zwischen denen ein armes, winziges rotes Stülpnäschen hervorstand, auf Bazaroff heftend, setzte sie hinzu: »Ich kenne Sie,« und drückte ihm gleichfalls die Hand.
    Bazaroff machte eine leichte Grimasse. Das unbedeutende Gesichtchen der Emanzipierten hatte gerade nichts allzu Häßliches, aber der Ausdruck ihrer Züge war unangenehm. Man hätte sie fragen mögen: »Was ist dir? Hast du Hunger oder Langeweile? Fürchtest du dich vor irgend etwas? Wozu all dieses Mühen?« Auch sie hatte, wie Sitnikoff, das Gefühl, als ob ihr fortwährend etwas die Seele zernagte. Ihre Bewegungen und ihre Sprache waren rasch und plump zu gleich; sie selbst hielt sich ohne Zweifel für ein gutes und einfaches Geschöpf, und doch, was sie auch tun mochte, immer hatte es den Anschein, als beabsichtige sie, etwas anderes zu tun.
    »Ja ja, ich kenne Sie, Bazaroff,« wiederholte sie. (Nach einem den Provinzbewohnerinnen und selbst einigen Frauen Moskaus eigenen Brauch nannte sie die Männer, welche sie zum erstenmal sah, beim Familiennamen.) »Rauchen Sie eine Zigarre?«
    »Eine Zigarre, wohl!« sagte Sitnikoff, der sich inzwischen, das eine Bein über sein Knie gelegt, in einem Lehnstuhle zurechtgesetzt hatte; »aber Sie müssen uns auch ein Frühstück geben. Wir sterben vor Hunger; lassen Sie auch gleich eine Flasche Champagner bringen.«
    »Sybarit!« erwiderte Eudoxia mit Lachen. (Wenn sie lachte, sah man ihr oberes Zahnfleisch.) »Ists nicht wahr, Bazaroff, daß er ein Sybarit ist?«
    »Ich liebe den Komfort,« sagte Sitnikoff würdevoll; »das hindert mich aber nicht, liberal zu sein.«
    »Doch! doch!« rief Eudoxia und befahl ihrem Kammermädchen, ein Frühstück zu besorgen und Champagner zu bringen. »Was halten Sie davon?« fragte sie Bazaroff; »ich weiß gewiß, Sie sind meiner Ansicht.«
    »Da täuschen Sie sich,« erwiderte Bazaroff, »ein Stück Fleisch ist besser als ein Stück Brot, selbst vom Standpunkt der chemischen Analyse.«
    »Ah, Sie beschäftigen sich mit Chemie; das ist meine Passion. Ich habe sogar einen Kitt erfunden.«
    »Einen Kitt? Sie?«
    »Ja, ich, und wissen Sie wozu? Zu Puppen, zu Puppenköpfen; sie sind dauerhafter. Ich bin eine praktische Frau, ich. Aber ich bin noch nicht ganz damit im reinen. Ich muß Liebig konsultieren. Apropos, haben Sie in der ›Moskauer Zeitung‹ Kisliakoffs Artikel ›Über die Frauenarbeit‹ gelesen? Lesen Sie ihn, ich beschwöre Sie. Sie interessieren sich ja wohl für die Frauenfrage? Und für die Schulen ebenfalls? Was treibt Ihr Freund? wie heißt er?«
    Madame Kukschin warf diese Fragen eine nach der andern mit einer verzärtelten Nonchalance hin, ohne eine Antwort abzuwarten; verwöhnte Kinder sprechen so mit ihren Bonnen.
    »Ich heiße Arkad Nikolaitsch Kirsanoff,« sagte Arkad, »und treibe nichts.«
    Eudoxia lachte.
    »Das ist allerliebst! Rauchen Sie nicht? Viktor, Sie wissen, daß ich Ihnen böse bin!«
    »Warum?«
    »Sie fangen, wie ich höre, wieder an, für George Sand zu schwärmen. Das ist eine hinter der Zeit zurückgebliebene Frau und weiter nichts. Wie kann man wagen, sie mit Emerson zu vergleichen? Sie hat keine Idee weder von Erziehung noch von Physiologie noch von sonst etwas. Ich bin überzeugt, sie hat nie von Embryologie sprechen hören, und wie wollen Sie diese Wissenschaft heutzutage entbehren? (Eudoxia streckte die Arme aus, während sie dies sagte.) Ach, welch herrlichen Artikel hat Elisewitsch über diesen Gegenstand geschrieben! Das ist einmal ein Genie, dieser Herr! (Eudoxia sagte immer ›Herr‹ statt ›Mann‹) Bazaroff, setzen Sie sich zu mir auf das Sofa. Sie wissen vielleicht nicht, daß ich mich schrecklich vor Ihnen fürchte.«
    »Warum das? da bin ich doch neugierig.«
    »Sie sind ein sehr gefährlicher Herr. Sie kritisieren alles in der Welt. Aber mein Gott! ich spreche wie eine echte Landpomeranze. Im Grund bin ich wirklich eine Landpomeranze. Ich verwalte mein Gut selbst, und denken Sie, mein Starost Erofei ist ein wahres Original; er erinnert mich an Coopers ›Pfadfinder‹. Ich finde, daß er so etwas Waldursprüngliches hat. Da bin ich nun für immer hieher

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