Vaeter und Soehne
gebannt, welch unerträgliche Stadt! Nicht wahr? Aber was tun?«
»Es ist eine Stadt, wie jede andere auch,« sagte Bazaroff trocken.
»Man beschäftigt sich hier nur mit den kleinlichsten Interessen, das ist gräßlich. Sonst brachte ich den ganzen Winter in Moskau zu … aber der verehrungswürdige Herr Kukschin hat sich jetzt dort niedergelassen. Zudem ist Moskau jetzt … ich weiß nicht … es ist gegenwärtig alles anders. Ich möchte reisen; voriges Jahr war ich auch schon im Begriff, mich auf den Weg zu machen.«
»Nach Paris, ohne Zweifel?« fragte Bazaroff.
»Nach Paris und nach Heidelberg.«
»Heidelberg, wozu?«
»Wie! weil Bunsen dort wohnt.«
Bazaroff fand auf diesen Ausruf keine Antwort.
»Peter Sapojnikoff … Sie kennen ihn ja.«
»Nein, durchaus nicht.«
»Ists möglich! Peter Sapojnikoff … er ist ja beständig bei Lydie Chostatoff.«
»Ich kenne auch die nicht.«
»Nun, Sapojnikoff hat mir seine Begleitung angeboten. Ich bin allein, Gott sei Dank! ich habe keine Kinder … Was habe ich da gesagt: ›Gott sei Dank?‹ … Übrigens ists einerlei.« Eudoxia drehte eine Zigarette zwischen ihren vom Tabak gelb gefärbten Fingern, zog sie über die Zungenspitze, steckte sie in den Mund und fing an zu rauchen.
Die Dienerin trat mit dem Teebrett ein.
»Ah, da ist das Frühstück! Wollen Sie einen Bissen essen? Viktor, ziehn Sie die Flasche auf. Sie sollten sich darauf verstehen.«
»Mich darauf verstehen! mich darauf verstehen!« murmelte Sitnikoff.
»Gibt es hier ein paar hübsche Frauen?« fragte Bazaroff, im Begriff sein drittes Glas zu leeren.
»Ja,« erwiderte Eudoxia, »aber sie sind höchst unbedeutend. Meine Freundin Odinzoff zum Beispiel ist nicht übel. Nur steht sie im Ruf, ein wenig … Das wäre übrigens kein großes Unglück; aber da ist von Erhabenheit der Ideen, von Fülle von all dem … keine Spur. Unser Erziehungssystem sollte eben geändert werden. Ich habe schon daran gedacht; unsere Frauen sind sehr schlecht erzogen.«
»Sie werden sie nicht besser machen,« sagte Sitnikoff. »Man muß sie verachten, und ich verachte sie gründlich. (Sitnikoff liebte es, zu verachten und diesem Gefühl Ausdruck zu geben; er fiel besonders über ›das Geschlecht‹ her, ohne zu ahnen, daß es ihm bestimmt war, einige Monate später vor seiner Frau zu kriechen, einzig und allein deshalb, weil sie eine geborene Fürstin war.) Da ist nicht eine, die sich zur Höhe unserer Unterhaltung erheben könnte, nicht eine, die es verdiente, daß sich ernsthafte Männer wie wir mit ihr abgeben.«
»Ich sehe nicht ein, warum sie nötig haben sollten, unsere Unterhaltung zu verstehen,« sagte Bazaroff.
»Von wem sprechen Sie?« fragte Eudoxia.
»Von den hübschen Frauen.«
»Wie, Sie teilen also die Ideen Proudhons?«
Bazaroff richtete sich mit verächtlicher Miene auf.
»Ich teile niemandes Ideen; ich habe meine eigenen Ansichten.«
»Nieder mit den Autoritäten!« rief Sitnikoff, glücklich, eine Gelegenheit zu haben, sich in Gegenwart eines Mannes, dessen gehorsamster Diener er war, energisch auszusprechen.
»Aber Macaulay selbst,« sagte Madame Kukschin …
»Nieder mit Macaulay!« rief Sitnikoff mit Donnerstimme; »Sie nehmen Partei für diese frivolen Weibsbilder.«
»Ich kämpfe keineswegs für die frivolen Weibsbilder, sondern für die Rechte des Weibes, die ich bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen geschworen habe.«
»Nieder mit …« Sitnikoff endigte seine Phrase nicht. »Ich greife sie ja durchaus nicht an,« setzte er hinzu.
»Doch, ich sehe, daß Sie ein Slawophile sind.«
»Durchaus nicht, ich bin kein Slawophile, obschon sicherlich …«
»Doch! Doch! Sie sind ein Slawophile. Sie sind ein Anhänger des Domostroi. Es fehlt nur noch, daß Sie eine Peitsche für die Frauen in die Hand nehmen.«
»Es ist was Schönes um eine Peitsche,« fiel Bazaroff ein; »aber da sind wir beim letzten Tropfen angekommen …«
»Von was?« fragte Eudoxia lebhaft.
»Vom Champagner, verehrte Eudoxia Nikitischna, nicht von Ihrem Blut.«
»Ich kann nicht gleichgültig bleiben, wenn man die Frauen angreift,« fuhr Eudoxia fort; »das ist abscheulich! abscheulich! Statt sie anzugreifen, lesen Sie Michelets Buch ›Über die Liebe‹, das ist wunderbar schön! Meine Herren, sprechen wir von der Liebe,« fügte sie hinzu und ließ ihre Hand schmachtend auf das zerdrückte Kissen des Ruhebettes zurücksinken.
Ein plötzliches Schweigen folgte dieser Aufforderung.
»Warum von Liebe
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