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Vaeter und Soehne

Vaeter und Soehne

Titel: Vaeter und Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivan Sergejevich Turgenev
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ihr ernstes und anmutiges Gesicht betrachten zu dürfen. Sie selbst sprach wenig; gleichwohl bekundeten ihre Worte eine gewisse Lebenserfahrung; Arkad konnte aus einigen ihrer Bemerkungen schließen, daß sie trotz ihrer Jugend schon manche Erregungen durchgemacht und über viele Dinge nachgedacht habe.
    »Wer war bei Ihnen, als Herr Sitnikoff Sie mir vorstellte?« fragte sie.
    »Sie haben also den jungen Mann bemerkt?« antwortete Arkad; »nicht wahr, er hat eine frappante Physiognomie? Er heißt Bazaroff und ist mein Freund.«
    Arkad fing nun an, von seinem Freund zu reden.
    Er geriet dabei in solche Einzelheiten und sprach mit so viel Feuer, daß Frau Odinzoff sich nach Bazaroff umwandte und ihn mit Interesse betrachtete. Darüber ging die Masurka zu Ende. Arkad bedauerte, sich von seiner Tänzerin trennen zu müssen; eine Stunde war ihm so angenehm mit ihr verflossen. Nicht, als ob er nicht fortwährend gefühlt hätte, daß sie ihn sozusagen mit einer gewissen Herablassung behandelte; aber er wußte ihrs Dank, denn junge Herzen fühlen sich von der Protektion einer schönen Frau nicht gedemütigt.
    Die Musik schwieg.
    »Danke,« sagte Frau Odinzoff im Aufstehen. »Sie haben versprochen, mich zu besuchen; ich hoffe, Sie bringen mir Ihren Freund mit. Ich bin sehr begierig, einen Mann kennen zu lernen, der den Mut hat, an nichts zu glauben.«
    Der Gouverneur trat zu Frau Odinzoff, kündigte ihr an, daß das Souper bereit sei, und bot ihr mit seiner Geschäftsmiene den Arm. Im Weggehen kehrte sie sich nochmals nach Arkad um und nickte ihm halb lächelnd zu. Dieser verneigte sich tief, und während er ihr mit den Blicken folgte (wie elegant schien ihm ihre Gestalt, umrauscht von den glänzenden Wogen ihres schwarzen Atlaskleides!), sagte er sich: »Ohne Zweifel hat sie schon völlig vergessen, daß ich auf der Welt bin.« Und beinahe augenblicklich kam das Gefühl einer gewissen Entsagung über ihn, die er für eine fast romanhafte Großmut hielt.
    »Nun,« fragte Bazaroff seinen Freund, sobald dieser sich wieder in die Ecke zu ihm gesetzt hatte, »du bist glücklich gewesen? Man sagt mir soeben, daß die Dame … hm, hm. Übrigens könnte der Herr, der michs versichert hat, ein Dummkopf sein. Was hältst du davon? Ist sie wirklich … hm, hm?«
    »Ich verstehe den Sinn deines ›hm, hm‹ nicht,« antwortete Arkad.
    »Geh mir doch, Unschuld!«
    »Wenns so gemeint ist, verstehe ich deinen Herrn nicht. Frau Odinzoff ist sehr liebenswürdig, das ist gewiß; aber sie hat ein so kaltes und stilles Wesen, daß …«
    »Stille Wasser sind tief, weißt du!« fuhr Bazaroff fort. »Du sagst, sie sei kalt; das gibt ihr ja eben Wert. Liebst du Gefrorenes nicht?«
    »Das ist alles möglich,« sagte Arkad; »ich laß es unentschieden. Aber sie will deine Bekanntschaft machen und hat mich gebeten, dich zu ihr zu bringen.«
    »Du mußt ihr, scheint es, ein schönes Bild von mir entworfen haben. Übrigens verarge ich dir das nicht. Mag sie sein, was sie will, eine einfache Löwin aus der Provinz oder ein emanzipiertes Weib nach Art der Kukschin, sie hat nichtsdestoweniger Schultern, wie ich noch keine gesehen habe.«
    Der Zynismus dieser Worte berührte Arkad peinlich, aber wie mans oft macht, er beeilte sich, seinem Freund wegen etwas anderem, diesem Gefühl Fremdem, einen Vorwurf zu machen.
    »Warum willst du den Frauen die Freiheit, zu denken, verweigern?« fragte er halblaut.
    »Weil ich bemerkt habe, mein Lieber, daß alle Frauen, die von dieser Freiheit Gebrauch machen, wahre Vogelscheuchen sind.«
    Damit schloß die Unterhaltung. Die beiden Freunde entfernten sich unmittelbar nach dem Souper. Madame Kukschin warf ihnen beim Gehen ein verstecktes, aber zorniges Lächeln zu. Keiner von beiden hatte ihr die mindeste Aufmerksamkeit geschenkt, und ihre Eitelkeit war dadurch schwer gekränkt. Sie blieb bis zum Schluß und tanzte noch um vier Uhr morgens mit Sitnikoff eine Polka Masurka nach Pariser Art.
    Mit dieser erbaulichen Aufführung endete der Ball beim Gouverneur.

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Fünfzehntes Kapitel.

    »Ich bin begierig, zu welcher Klasse von Säugetieren deine neue Bekanntschaft gehört,« sagte Bazaroff am folgenden Tage zu Arkad, als sie die Treppe des Gasthofes hinanstiegen, in welchem Madame Odinzoff logierte. »Ich weiß nicht, aber mir kommt die Sache verdächtig vor.«
    »Du setzest mich in Staunen!« rief Arkad; »du, Bazaroff, kannst dich zum Verteidiger einer so engherzigen Moral aufwerfen, die …«
    »Was du für ein

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