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Vaeter und Soehne

Vaeter und Soehne

Titel: Vaeter und Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivan Sergejevich Turgenev
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bei den Bauern und ist dabei seelenvergnügt. Meine Mutter kann sich auch nicht beklagen; ihr Tag ist von so vielerlei Geschäften, ›Ohs!‹ und ›Ahs!‹ ausgefüllt, daß sie gar keine Zeit hat, zu sich selber zu kommen; und ich …«
    »Und du?«
    »Und ich, ich sage mir: Da lieg ich neben diesem Schober … Der Platz, den ich einnehme, ist so unendlich klein im Vergleich zu dem übrigen Raum, wo ich nicht bin und wo man sich aus mir nichts macht, und die Zeit, die mir zu leben vergönnt sein wird, ist so kurz neben der Ewigkeit, in der ich nicht war und in der ich nie sein werde.. und doch in diesem Atom, in diesem mathematischen Punkt kreist das Blut, arbeitet das Gehirn und will auch etwas … Welcher Unsinn! Welche Albernheit!«
    »Erlaub mir, dir eine Bemerkung zu machen: was du da sagst, paßt im ganzen für alle Menschen …«
    »Das ist richtig,« erwiderte Bazaroff, »ich wollte sagen, daß diese braven Leute, ich meine nämlich meine Eltern, sich beschäftigen und nicht an ihr Nichts denken; es ekelt und stinkt sie nicht an, während ich nur Langeweile und Haß zu empfinden vermag.«
    »Haß? warum das?«
    »Warum? welche Frage! Hast du denn vergessen?«
    »Ich erinnere mich an alles, aber ich glaube nicht, daß es dir ein Recht gibt, zu hassen … Du bist unglücklich, ich gebe es zu, aber …«
    »Ei! ei! Arkad Nikolaitsch, ich sehe, du verstehst die Liebe, wie alle jungen Leute von heut; du lockst die Henne put, put, put! und sobald die Henne kommt, nimmt man Reißaus! Das ist die Art nicht, wie ich es mache. Doch lassen wir das. Wenn einer Sache nicht zu helfen ist, so ist es eine Schande, sich mit ihr abzugeben.« – Er legte sich auf die Seite und fuhr fort: »Ah, da ist eine Ameise, welche lustig eine halbtote Mücke schleift. Immerzu, Alte, immerzu! Mach dir nichts aus ihrem Sträuben. Du kannst in deiner Eigenschaft als Tier jedes Gefühl von Erbarmen verschmähen. Das ist nicht wie unsereiner, die wir uns freiwillig vernichtet und zerbrochen haben.«
    »Du solltest nicht so sprechen, Eugen! wann hast du dich zerbrochen, wie du sagst?«
    Bazaroff richtete den Kopf auf.
    »Ich glaube das Recht zu haben, stolz darauf zu sein. Ich habe mich nicht selbst zerbrochen, und einem Weib wird das sicher nie gelingen. Amen! es ist aus! Du wirst kein einziges Wort mehr über diesen Gegenstand von mir hören.«
    Die beiden Freunde lagen einige Augenblicke da, ohne zu sprechen.
    »Ja,« nahm Bazaroff wieder das Wort, »der Mensch ist ein sonderbares Wesen. Wenn man so von der Seite und von weitem das dunkle Leben betrachtet, welches hier die ›Väter‹ führen, so scheint es, als ob alles vollkommen sei. Iß, trinke und lebe deiner Meinung nach so weise und regelmäßig als möglich. Es ist doch nichts; die Langeweile packt dich bald. Man empfindet das Verlangen, unter andere Menschen zu gehen, wärs auch nur, um mit ihnen zu streiten – gleichviel, man muß eben unter sie gehen.«
    »Man müßte das Leben so einrichten, daß jeder Augenblick eine Bedeutung hätte,« sagte Arkad nach denklich.
    »Gewiß! es ist immer angenehm, etwas zu bedeuten, selbst wenn es mit Unrecht geschähe. Man würde sich zur Not sogar die unbedeutenden Dinge gefallen lassen … Aber die Kleinigkeiten, die Erbärmlichkeiten … das ist das Übel!«
    »Es gibt keine Kleinigkeiten für den, der keine anerkennen will.«
    »Hm! Du hast da einen umgekehrten Gemeinplatz ausgesprochen.«
    »Wie? Was meinst du damit?«
    »Die Versicherung zum Beispiel, daß die Zivilisation nützlich sei, ist ein Gemeinplatz, die Behauptung aber, daß die Zivilisation schädlich sei, ist ein umgekehrter Gemeinplatz. Das lautet ein wenig vornehmer, aber im Grund ist es absolut ein Ding.«
    »Aber die Wahrheit, wo muß man sie denn suchen?«
    »Wo? Ich antworte dir wie das Echo; wo?«
    »Du bist heute zur Schwermut aufgelegt, Eugen!«
    »Wahrhaftig? es scheint, die Sonne hat mir auf den Kopf gebrannt, und dann, wir haben zuviel Himbeeren gegessen.«
    »Da wärs gut, einen Schlaf zu tun,« sagte Arkad.
    »Sei’s, nur schau mich nicht an … man sieht immer dumm aus, wenn man schläft.«
    »Es ist dir also nicht gleichgültig, was man von dir denkt?«
    »Ich weiß nicht recht, was man darauf antworten soll. Ein Mann, der dieses Namens wahrhaftig würdig ist, dürfte sich um das, was man von ihm denkt, nicht kümmern; der wahre Mann ist der, der andern nichts zu denken gibt, sondern sie zwingt, ihm zu gehorchen oder ihn zu verabscheuen.«
    »Das ist

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