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Vaeter und Soehne

Vaeter und Soehne

Titel: Vaeter und Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivan Sergejevich Turgenev
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allen Menschen tief eingewurzelt ist. Sie sind fähig, auf alles zu verzichten, alle Vorurteile abzulegen; aber anzuerkennen zum Beispiel: daß ein Bruder, der Taschentücher gestohlen hat, ein Dieb ist, das geht über ihre Kräfte. In der Tat, eine Person, die mir so nahe steht, ›mein‹ Bruder, könnte er nicht ein Genie sein?«
    »Ich habe einzig dem Sinn für Gerechtigkeit und keineswegs dem für die Familie gehorcht,« antwortete Arkad lebhaft. »Aber da du für diesen Sinn kein Verständnis hast, da diese ›Sensation‹ dir fehlt, solltest du gar nicht davon sprechen.«
    »Das kommt darauf hinaus: Arkad Kirsanoff ist mir zu hoch, als daß ich ihn verstehen könnte; ich beuge mich und verurteile mich zum Stillschweigen.«
    »Hör doch auf, Eugen! ich bitte dich; wir bekommen schließlich noch Händel.«
    »Ach, ich beschwöre dich, Arkad, wir wollen Händel anfangen, wir wollen uns tüchtig prügeln, bis zur Vertilgung der tierischen Wärme.«
    »Das führt am Ende in Wirklichkeit zu …«
    »Zu Faustschlägen?« fiel Bazaroff ein, »warum nicht? hier auf diesem Heuhaufen, in dieser ganzen idyllischen Umgebung, entfernt von der Welt und den Blicken der Menschen, es könnte gar nicht schöner sein. Aber du bist nicht imstande, dich mit mir zu messen. Ich werde dich bei der Kehle packen …«
    Bazaroff streckte seine knochigen Finger aus … Arkad wandte sich lachend um und schickte sich zur Verteidigung an … Aber das Gesicht seines Freundes, das Grinsen, welches seine Lippen verzog, und das düstere Feuer, das in seinen Augen glühte, schien ihm eine solch ernste Drohung auszudrücken, daß ihn unwillkürlich ein Gefühl von Furcht überkam …
    »Ah! find ich euch endlich!« rief in diesem Augenblick Wassili Iwanowitsch, welcher in einem Wams von zu Hause gewebter Leinwand und mit einem Strohhut aus derselben Fabrik auf dem Kopf vor den jungen Leuten erschien. »Ich habe euch gesucht und gesucht … Aber ihr habt einen prächtigen Platz gewählt und überlaßt euch einem süßen Zeitvertreib. ›Auf der Erde liegend den Himmel betrachten‹ … wißt ihr, daß diese Lage eine ganz eigentümliche Bedeutung hat?«
    »Ich betrachte den Himmel nur, wenn ich niesen will,« sagte Bazaroff mürrisch, und zu Arkad tretend, fügte er leise hinzu: »Es tut mir leid, daß er uns verhindert hat.«
    »Geh! es ist genug!« sagte Arkad und drückte ihm verstohlen die Hand.
    »Ich schau euch an, meine jungen Freunde,« fuhr Wassili Iwanowitsch kopfschüttelnd fort, wobei er seine gefalteten Hände auf einen Stock stützte, den er selbst kunstvoll spiralförmig gewunden und oben mit einem Türkenkopf verziert hatte, »ich schau euch an und kann es nicht satt bekommen. Wieviel Kraft, Jugend, Fähigkeit, Talent steckt in euch … Kastor und Pollux!«
    »Gut!« rief Bazaroff aus, »jetzt stürzt er sich in die Mythologie! Man sieht sofort, daß er seinerzeit im Latein stark war. Hast du nicht eine silberne Medaille für deine Schularbeiten erhalten?«
    »Dioskuren! Dioskuren!« wiederholte Wassili Iwanowitsch.
    »Geh, Vater! sei vernünftig, etwas weniger Zärtlichkeit.«
    »Einmal von Zeit zu Zeit macht noch keine Gewohnheit,« stotterte der Greis. »Übrigens bin ich nicht gekommen, meine Herren, um euch Komplimente zu machen, sondern erstens, um euch anzukündigen, daß wir bald essen werden, und zweitens, um dich zu benachrichtigen, Eugen … Du bist ein Bursche von Geist, du kennst die Männer und die Frauen, wirst also verzeihen … deiner Mutter lag sehr daran, Dankgebete für deine Ankunft lesen zu lassen. Bilde dir nicht ein, daß ich dich auffordern will, denselben anzuwohnen, die Zeremonie ist schon vorüber. Aber der Pater Alexis …«
    »Der Pope?«
    »Ja! der Priester ist drinnen … und wird zum Essen bleiben … Ich hab es selber nicht vermutet und riet ihm sogar ab … aber ich weiß nicht, wie es kam.. er hat mich nicht verstanden … zudem, Arina Vlassiewna … immerhin aber ist er ein sehr gescheiter und in jeder Hinsicht angenehmer Mann.«
    »Ich hoffe, er wird mir meine Portion bei Tische nicht wegessen?« fragte Bazaroff.
    Wassili Iwanowitsch lachte.
    »Nein! gewiß nicht!« erwiderte er.
    »Mehr verlange ich nicht, meinethalben kannst du zu uns an den Tisch setzen, wen du willst.«
    »Ich wußte ja wohl, daß du über alle Vorurteile erhaben bist. Es wär auch etwas stark. Hab doch ich, der ich bereits mein dreiundsechzigstes angetreten, gleichfalls keine. (Wassili Iwanowitsch wagte nicht zu gestehen,

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