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Vaeter und Soehne

Vaeter und Soehne

Titel: Vaeter und Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivan Sergejevich Turgenev
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sonderbar! ich verabscheue niemand,« sagte Arkad nach kurzem Besinnen.
    »Und ich verabscheue viele Leute! Du hast eine milde Seele, ein wahres Pflaumenkompott, wie könntest du verabscheuen? … Du bist furchtsam, hast kein Selbstvertrauen …«
    »Und du,« erwiderte Arkad, »du hast noch viel Selbstvertrauen? Du schätzst dich sehr hoch?«
    Bazaroff antwortete ihm nicht sogleich.
    »Wenn ich einmal einem Menschen begegne, der in meiner Gegenwart nicht die Ohren hängen läßt,« versetzte Bazaroff langsam, »dann werde ich meine Meinung über mich selber ändern. – Verabscheuen?« fuhr er fort … »aber halt einmal, du hast vor kurzem gesagt, als wir an der großen und saubern Isba eures Starosten Philipp vorübergingen: Rußland werde so lange nicht auf seiner Höhe angekommen sein, bis der letzte Bauer eine solche Wohnung habe, und jeder von uns müsse dazu beitragen … Nun wohlan, ich habe sofort diesen Bauer verabscheut, heiß er Philipp oder Jakob, für dessen Wohl ich schanzen soll, ohne daß er mirs im mindesten Dank wüßte. Und doch, was sollt ich mit seiner Dankbarkeit tun? Wenn er in seiner guten Isba wohnt, dann werde ich die Nesseln auf dem Kirchhof düngen. Und was dann?«
    »Schweig, Eugen, wenn man dich heute hört, ist man fast versucht, denen recht zu geben, die uns vorwerfen, daß wir keine Grundsätze haben.«
    »Du sprichst wie dein würdiger Onkel. Es gibt keine Grundsätze. Hast du das bisher noch nicht gewußt? Es gibt nur Sensationen. Alles hängt von Sensationen ab.«
    »Wieso?«
    »Jawohl. Nimm mich zum Beispiel: Wenn ich vom Geist der Verneinung und des Widerspruchs beherrscht bin, so hängt das von meinen Sensationen ab. Es ist mir angenehm, zu verneinen, mein Hirn ist so gebaut und damit Punktum! Warum habe ich Gefallen an der Chemie? Warum ißt du gerne Äpfel? Alles kraft der Sensationen. Da liegt die Wahrheit, und nie werden die Menschen tiefer dringen. Man gesteht sichs nicht gerne, und selbst ich werde dirs nicht mehr wiederholen.«
    »Aber von diesem Standpunkte aus wäre die Tugend selber nichts als eine Sensation?«
    »Ohne allen Zweifel!«
    »Eugen!« erwiderte Arkad in betrübtem Ton.
    »Ah! Wahrhaftig? Der Bissen ist nicht nach deinem Geschmack,« sagte Bazaroff. »Nein, mein Lieber, wenn man entschlossen ist, alles abzumähen, muß man seine eigenen Beine nicht schonen. Aber wir haben nun in dieser Weise genug philosophiert. Die Natur ladet uns zur Ruh des Schlummers ein, sagt Puschkin.«
    »Er hat nie etwas Ähnliches gesagt,« erwiderte Arkad.
    »Wenn ers nicht gesagt hat, hätte ers in seiner Eigenschaft als Dichter sagen können oder sollen. Apropos, er war doch Soldat?«
    »Puschkin war nie Soldat.«
    »Geh doch! auf jeder Seite ruft er aus: ›Zu den Waffen! zu den Waffen! für die Ehre Rußlands!‹«
    »Woher nimmst du alle diese Erfindungen? ich nenne das verleumden.«
    »Verleumden? wie hübsch! Glaubst du mich mit diesem Worte zu erschrecken? Welche Verleumdungen man immer über einen Menschen verbreitet, er verdient noch zwanzigmal mehr.«
    »Suchen wir lieber zu schlafen,« sagte Arkad verletzt.
    »Mit dem größten Vergnügen,« antwortete Bazaroff.
    Aber sie konnten beide nicht einschlafen, ein Gefühl von Feindseligkeit hatte sich in ihr Herz geschlichen. Nach wenigen Minuten öffneten sie die Augen und blickten sich schweigend an.
    »Sieh,« sagte plötzlich Arkad, »sieh dies verdorrte Blatt, welches sich eben von einer Platane löste und zur Erde fällt, es flattert in der Luft, ganz wie ein Schmetterling. Ist das nicht sonderbar? Das Traurigste und Toteste was es gibt, gleicht dem Heitersten und Lebendigsten!«
    »Mein teurer Arkad Nikolajewitsch,« rief Bazaroff aus, »ich bitte dich um Gottes willen, sprich nicht poetisch.«
    »Ich spreche, wie ichs verstehe … Aber wahrhaftig, das streift an Tyrannei. Wenn mir ein Gedanke kommt, warum soll ich ihn nicht ausdrücken?«
    »Das ist richtig; aber warum soll ich nicht gleichfalls sagen, was ich denke? Ich finde es unanständig, poetisch zu sprechen.«
    »Es ist deiner Meinung nach ohne Zweifel anständiger, Grobheiten zu sagen?«
    »Heh! heh! ich seh, du bist entschlossen, in die Fußstapfen deines Onkels zu treten. Wie glücklich wär dieser Idiot, wenn er dich hören könnte!«
    »Wie hast du Paul Petrowitsch genannt?«
    »Wie er es verdient: einen Idioten.«
    »Das wird unerträglich!« rief Arkad aus.
    »Ah! der Familiensinn ist erwacht,« sagte Bazaroff ruhig. »Ich habe bemerkt, daß er bei

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