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Vaeter und Soehne

Vaeter und Soehne

Titel: Vaeter und Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivan Sergejevich Turgenev
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schwindelte; ihr Gatte wollte noch mit ihr plaudern, bald aber verzichtete er darauf und ging mit einer resignierten Handbewegung ab.
    Arina Vlassiewna war ein wahrer Typus des kleinen russischen Adels der alten Zeit; sie hätte zwei Jahrhunderte früher, zur Zeit der Großfürsten von Moskau, auf die Welt kommen sollen. Leicht erregbar und von großer Frömmigkeit, glaubte sie an alle Vorbedeutungen, Ahnungen, Zaubereien und Träume; sie glaubte an die »Jurodivi«, an Haus- und Waldgeister, an Unglück bringende Begegnungen, an das böse Auge, an Hausmittel, an die Kraft des am Gründonnerstag auf den Altar gelegten Salzes und an den baldigen Untergang der Welt; sie glaubte, daß es eine gute Buchweizenernte bedeute, wenn die Kerzen in der Ostermitternachtsmesse nicht erlöschen, daß die Champignons nicht mehr wachsen, sobald sie vom Blick des Menschen getroffen werden, daß der Teufel sich gern an wasserreichen Orten aufhalte und daß alle Juden einen Blutflecken auf der Brust haben; sie fürchtete die Mäuse, die Nattern, die Frösche, die Sperlinge, die Blutegel, den Donner, das kalte Wasser, die Zugluft, die Pferde, die Böcke, die rothaarigen Menschen und die schwarzen Katzen, und hielt die Grillen und Hunde für unreine Geschöpfe; sie aß weder Kalbfleisch, noch Tauben, noch Krebse, noch Käse, noch Spargel, noch Topinambur, noch Hasen, noch Wassermelonen (weil eine angeschnittene Melone an das abgeschlagene Haupt Johannes des Täufers erinnert), und der bloße Gedanke an Austern, die sie nicht einmal vom Sehen kannte, machte sie schaudern; sie aß gern viel und gut und fastete streng; sie schlief zehn Stunden täglich und legte sich gar nicht zu Bett, wenn Wassili Iwanowitsch über Kopfweh klagte. Das einzige Buch, das sie gelesen hatte, führte den Titel: »Alexis oder die Hütte im Walde«; sie schrieb einen, allerhöchstens zwei Briefe des Jahres, und verstand sich vortrefflich auf eingemachte Früchte und Gemüse, obgleich sie nirgends selbst Hand anlegte und sich überhaupt nicht gern von der Stelle rührte.
    Arina Vlassiewna war übrigens sehr gut und gar nicht ohne einen gewissen gesunden Menschenverstand. Sie wußte, daß es in der Welt Herren gebe zum Befehlen und Volk zum Gehorchen; deshalb hatte sie auch nichts gegen die Unterwürfigkeit der Untergebenen und ihre Verneigungen bis zur Erde einzuwenden; aber sie behandelte sie mit großer Milde, ließ keinen Bettler ohne Almosen gehen und kritisierte niemand, ohne darum dem Klatsch abhold zu sein. Sie hatte in ihrer Jugend ein angenehmes Gesicht gehabt, spielte Klavier und sprach etwas Französisch. Aber während der langen Reisen ihres Mannes, den sie wider Willen geheiratet hatte, war sie dick geworden und hatte Musik und Französisch verlernt. Ihren Sohn betete sie an, fürchtete ihn aber gewaltig; ihr Gut verwaltete Wassili Iwanowitsch, und sie ließ ihm in dieser Beziehung vollkommene Freiheit; sie seufzte, fächelte sich mit ihrem Taschentuch Luft zu und zog die Augenbrauen in die Höhe vor lauter Angst, wenn ihr alter Mann von den in der Ausführung begriffenen Reformen und von seinen eigenen Plänen zu sprechen anfing. Sie war mißtrauisch, erwartete beständig irgendein großes Unglück und fing gleich zu weinen an, sobald sie sich an etwas Trauriges erinnerte … Frauen dieser Art fangen an, selten zu werden; Gott weiß, ob man sich darüber freuen soll.
    Sobald Arkad aufgestanden war, öffnete er das Fenster, und sein erster Blick fiel auf Wassili Iwanowitsch, der, in einem tatarischen Schlafrock und mit einem Taschentuch umgürtet, im Küchengarten arbeitete. Als er seinen jungen Gast erblickte, stützte er sich auf seinen Spaten und rief ihm zu:
    »Guten Morgen! wie haben Sie geschlafen?«
    »Sehr gut,« antwortete Arkad.
    »Sie sehen eine Art Cincinnatus vor sich,« fuhr der Alte fort; »ich richte ein Beet für Herbstrüben her. Wir leben in einer Zeit (und ich bin weit entfernt, mich darüber zu beklagen), wo sich jeder durch seiner Hände Arbeit erhalten muß; man darf sich nicht auf andere verlassen; man muß selber angreifen. Mag man immerhin das Gegenteil behaupten, Jean Jacques Rousseau hatte recht. Vor einer halben Stunde, mein lieber Herr, hätten Sie mich bei einer ganz anderen Beschäftigung getroffen, als bei der Sie mich jetzt sehen. Eine Bäuerin war da, um mich wegen eines Ruhranfalls zu konsultieren; ich habe ihr … wie soll ich sagen? … ich habe ihr eine Dosis Opium ›eingeführt‹; einer anderen hab ich einen

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