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Vaeter und Soehne

Vaeter und Soehne

Titel: Vaeter und Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivan Sergejevich Turgenev
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Hitze des Juli, der eben begonnen hatte. In ihrem leichten weißen Kleide erschien sie selber noch weißer und leichter; die Sonne verbrannte sie nicht, und die Hitze, vor der man sich unmöglich bergen konnte, färbte ihre Wangen und Ohren mit zartem Rot, verbreitete über ihr ganzes Wesen eine süße Mattigkeit und verlieh, indem sie ihren schönen Augen das Schmachten des Halbschlummers gab, ihren Blicken eine unwillkürliche Zärtlichkeit. Sie konnte beinahe nichts arbeiten, die Hände glitten ihr sozusagen von ihren Knien. Kaum fühlte sie sich imstande, zu gehen, und hörte nicht auf, mit einer komischen Entkräftung zu klagen.
    »Du solltest öfter baden,« sagte Kirsanoff zu ihr. Er hatte zu diesem Behuf ein großes Zelt über einem seiner Teiche errichten lassen, der noch nicht ganz ausgetrocknet war.
    »Oh! Nikolaus Petrowitsch! aber ehe ich an den Teich komme, bin ich tot, oder ich sterbe auf dem Rückwege. Sie wissen ja, daß es in dem Garten gar keinen Schatten gibt.«
    »Das ist wahr,« erwiderte Kirsanoff und rieb sich die Stirne.
    Eines Morgens gegen sieben Uhr traf Bazaroff bei seiner Rückkunft vom Spaziergang Fenitschka in der Fliederlaube, die zwar schon lange abgeblüht, aber noch frisch und grün war. Fenitschka saß auf der Bank, das Haupt mit einem weißen Taschentuch bedeckt; neben ihr ein Haufen roter und weißer Rosen, auf denen noch der Tau lag. Er bot ihr guten Morgen.
    »Ah! Eugen Wassilitsch,« sagte sie, indem sie einen Zipfel des Taschentuches aufhob, um ihn anzusehn, wobei sich ihr Arm bis zum Ellbogen entblößte.
    »Was machen Sie da?« fragte Bazaroff, indem er sich neben sie setzte; »Sträuße?«
    »Ja, um sie beim Frühstück auf die Tafel zu stellen. Nikolaus Petrowitsch liebt das sehr.«
    »Aber man frühstückt ja noch nicht so bald. Welche Masse Blumen!«
    »Ich pflückte sie eben, ehe die Hitze mich am Ausgehen hindert. Man kann ja nur um diese Zeit atmen. Ich kann nicht mehr vor Hitze; ich fürchte, ich werde krank.«
    »Wo denken Sie hin! Kommen Sie, ich will Ihnen einmal den Puls fühlen.«
    Bazaroff nahm ihre Hand, legte den Daumen auf die feine, unter einer zarten, feuchten Haut wohlverborgene Pulsader und gab sich nicht einmal die Mühe, die ruhigen Schläge zu zählen.
    »Sie werden hundert Jahre alt,« sagte er, ihre Hand lassend.
    »Ach, Gott bewahre mich davor!« rief sie.
    »Warum? liegt Ihnen denn nichts daran, lange zu leben?«
    »Hundert Jahre? meine Großmutter ist achtzig alt geworden, und sie war ein wahres Marterbild! ganz schwarz, taub, entstellt, immer hustend, wahrhaft sich selber zur Last. Heißt das leben?«
    »Es ist also besser, jung zu sein?«
    »Ich denke wohl!«
    »Und warum? sagen Sie mir das.«
    »Wie? aber nehmen Sie mich zum Beispiel; ich bin noch jung und kann alles tun; ich gehe, ich komme, ich bediene mich selbst und habe niemand nötig, was brauchts mehr?«
    »Was mich betrifft, mir liegt nichts daran, ob ich jung oder alt bin; das ist mir gleichgültig.«
    »Wie können Sie sagen, daß Ihnen das gleichgültig ist? Es ist unmöglich, daß Sie so denken.«
    »Urteilen Sie selbst, Fedosia Nikolajewna: was hab ich von der Jugend? ich lebe allein, eine wahre Waise …«
    »Das hängt nur von Ihnen ab!«
    »Da täuschen Sie sich. Niemand will sich meiner erbarmen.«
    Fenitschka sah ihn verstohlen an, antwortete aber nichts.
    »Was haben Sie da für ein Buch?« fragte sie ihn einige Augenblicke darauf.
    »Das ist ein gelehrtes Werk und schwer zu verstehen.«
    »Sie studieren immer! langweilt Sie denn das nicht? Sie sollten doch schon alles wissen, mein ich.«
    »Mir scheints nicht. Versuchen Sie’s einmal, ein wenig in diesem Buche zu lesen.«
    »Aber ich werde nichts davon verstehen. Ist es russisch?« fragte Fenitschka, indem sie den dicken Band, welchen Bazaroff hielt, mit beiden Händen faßte: – »Wie dick er ist.«
    »Gewiß ist es russisch.«
    »Das ist einerlei, ich versteh es doch nicht.«
    »Ich weiß es wohl, aber ich möchte Sie lesen sehen. Wenn Sie lesen, bewegt sich Ihre Nasenspitze so allerliebst.«
    Fenitschka, die halblaut eine Abhandlung »Über das Kreosot« zu entziffern suchte, fing an zu lachen und stieß das Buch zurück, das auf den Boden fiel.
    »Ich liebe auch Ihr Lachen,« versetzte Bazaroff.
    »Gehen Sie doch!«
    »Ich liebe auch, Sie sprechen zu hören; es klingt wie eines Bächleins Murmeln.«
    Fenitschka wandte sich ab.
    »Wie drollig sind Sie doch!« sagte sie und fuhr mit der Hand über die Blumen. »Wie

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