Vaethyr: Die andere Welt
»Du warst mit Jon zusammen?«
»Wir hatten eine heftige Auseinandersetzung mit Lawrence, Jon und ich. Er wird uns umbringen.«
» Lawrence ? Warum?«
Er schloss schaudernd seine Augen. Rasch zog Rosie ihm den Mantel aus, der feucht von Schlamm und Gras war. Er seufzte zittrig. »Wir waren wieder auf Freias Krone. Lawrence hat uns erwischt. Er ist völlig durchgedreht. Ich bekam Panik und bin davongerannt, in einen Bus gesprungen.«
»O Luc!« Sie hielt ihn an den Schultern fest. »Er hat dir doch nichts getan, oder?«
»Nein«, sagte er und legte ihr die Hand auf den Arm. »Es war auch nicht sein Geschrei. Es war der Ausdruck seiner Augen.« Er legte seinen Kopf in den Nacken, bleich hob sich sein Gesicht von seinen schwarzen Haaren ab. Er sah aus wie ein flüchtig hingeworfenes Schwarz-Weiß-Plakat einer Antidrogenkampagne.
»Seit wann triffst du dich wieder mit Jon?«, fragte Rosie und setzte sich neben ihn.
»Seit gestern.«
»Herrgott noch mal«, seufzte sie. »Es ging dir die ganze Zeit über gut, als du dich von ihm fernhieltst. Und dann bist du einen Abend mit ihm unterwegs und siehst aus wie der Tod!«
»Ja, du hast es mir gesagt. Mein Gott, ich hoffe nur, es geht ihm gut. Ich hätte bleiben sollen, aber ich hatte solche Angst … Du kennst doch dieses Licht, im Kopf, das angehen sollte, aber dann aus irgendeinem Grund doch nicht angeht?«
»O ja«, sagte Rosie. »Das kenne ich. Bitte sag mir, dass keine Drogen im Spiel waren.« Ihr Instinkt hatte ihr schon vor langer Zeit gesagt, was Jons Zittern und seine hohlen, umschatteten Augen zu bedeuten hatten. Doch sie hatte es sich nicht eingestehen wollen. »O Luc!«
Er wandte sich ab. »Nichts von der Straße, das habe ich dir doch gesagt, nur Zeug aus den Schattenreichen.«
»Natürlich heißt nicht harmlos! Du liebe Güte, du hättest dich vergiften können!«
»Das weiß ich«, meinte er aufbrausend. »Wir fanden, dass es das Risiko wert war. Schamanen haben das schon immer getan, sagt Jon. Wir haben es genommen, um hinter die Tore zu schauen.«
»Und hast du?«
Er hielt inne. Langsam knöpfte er sein schwarzes Hemd auf und zog das T-Shirt darunter hoch, um ihr seine Brust zu zeigen. Auf seiner bleichen, unbehaarten Haut war ein kreisrunder Fleck Haut voller Brandblasen, feuerrot und nässend. »Ich bin durchgedrungen«, sagte er mit rauer Stimme. »Und habe das mitgebracht.«
Sie starrte darauf. »Sieht wund aus. Was ist das?«
»Ich weiß es nicht.« Bevor ihre neugierige Fingerspitze ihn erreichte, zog er sein Hemd wieder nach unten und zuckte zusammen, als der Stoff die Wunde berührte. »Jedes Mal, wenn ich mit Jon zusammen bin, zieht er mich in diesen Albtraum mit rein.«
»Auch damals, als dir auf seiner Party schlecht wurde?«
»Das war das erste Mal, ja.«
»Mein Gott, ich hätte es wissen müssen«, rief sie aus.
»Ich glaubte an ihn. Er ist so überzeugend, dass ich eine Ewigkeit brauchte, bis ich herausfand, was er für ein Problem hat.« Und als er ihren fragenden Blick sah, fuhr er fort: »Elfen-Blackdrop, das ist ein Harz, das er aus dem Saft von Mohn aus den Schattenreichen kocht. Das sorgt dafür, dass alle Probleme sich in Luft auflösen, es wirkt wie Opium. Er sagte, es sei für die Dichter des neunzehnten Jahrhunderts gut genug gewesen und deshalb für uns wie geschaffen.«
»Nun, klingt romantisch, aber deshalb nicht weniger scheußlich.« Sie zog ihre Füße aufs Sofa, setzte sich im Schneidersitz hin und hielt ihre Zehen fest. »Ist er abhängig davon? Bist du es?«
»Er meinte, unsere Körper seien widerstandsfähiger als die der Menschen, deshalb sei es leichter, damit aufzuhören – sofern wir das wollen. Es vertreibt alle Schmerzen …« Er ließ seinen dunklen Kopf hängen. »Ich habe aufgehört, aber er will nicht. Er tut mir wirklich leid.«
»Als er damals wegen Sam zu mir ins Cottage kam, dachte ich, er sei so bleich und schlottrig, weil sein Bruder im Gefängnis war. Wie konnte ich nur so ein Idiot sein?«
»Einer mit ’nem guten Herz«, warf Lucas ein.
»Toll, mein vermeintlicher Seelenkamerad und dein Bruder – Du hättest Nein sagen können.«
Lucas’ dunkle Augen funkelten sie an. »Als hättest du Nein zu ihm gesagt? Er hat keinen Zwang auf mich ausgeübt, ich wollte – beweisen, dass ich den Mut hatte, mit ihm zu reisen.«
»Hört sich aber nicht danach an, als würde ihn seine Reise irgendwohin führen«, sagte sie verbittert.
Er nahm ihre Hand und hielt sie fest. »Mit all seinen
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