Vaethyr: Die andere Welt
zwei Delinquenten. Doch bevor sie noch mehr Probleme bekämen, war dies die bessere Lösung. »Na gut«, lenkte sie ein. »Aber nur für ein oder zwei Tage. Dann muss er gehen. Und keine Drogen in meinem Haus.«
Jon begann in vollem Ernst: »Nein, du verstehst das nicht, das ist nicht zur Entspannung –«, aber Lucas packte ihn am Arm und sagte: »Sei still. Natürlich nicht, Ro. Das versteht sich doch von selbst.«
Rosie zog sich in die Küche zurück und versuchte, wie das zahllose Generationen sowohl von Menschen als auch von Elfenwesen schon immer getan hatten, die Dinge mit Essen zu heilen. Sie war erschüttert, aber was nützte es, sich aufzuregen? Lucas brauchte einen sicheren Hafen und niemanden, der ihm Vorträge hielt. Als sie Butter aufs Brot strich, hörte sie, wie die Eingangstür aufging. Nach einer kurzen Pause kam Alastair in die Küche, ließ seine Sporttasche fallen und blieb stehen. Rosie war verwirrt, als hätte sie vergessen, dass er überhaupt existierte.
»Was zum Teufel ist hier los?«, fragte er schließlich. Er war geladen wie kurz vor einem Wutanfall.
Sie beschloss, die Sache zu vereinfachen. »Lawrence hat Jon und Lucas beim Kiffen erwischt und beide rausgeworfen.«
»Ach, du Schande! Das ist unser Zuhause, keine Absteige für Junkies!«
»Du sprichst hier von meinem Bruder. Wo soll er denn sonst hin, wenn nicht hierher?«
»Äh – zu sich nach Hause?«, sagte Alastair sarkastisch. Mit seinem kompakten Körper im roten Rugbyhemd sah er wie das genaue Gegenteil von Lucas und Jon aus. Sie waren dünne, verlotterte Studenten, wilde Geister aus den Schattenreichen. Alastair dagegen wirkte schwer und prosaisch, ein wenig ratlos und gesetzt und so gewöhnlich, dass man ihn pfundweise hätte verkaufen können.
»Mum würde Theater machen, wenn sie es erfährt«, sagte Rosie beim Käsereiben. »Er weiß, dass er hier in Ruhe gelassen wird.«
»Genau, aber sie sind keine Kinder mehr. Sie können sich um sich selbst kümmern. Ich möchte, dass sie gehen.« Wenn sie eins über Alastair gelernt hatte, seit sie mit ihm verheiratet war, dann, dass er es hasste, wenn sein gewohnter Trott durcheinandergebracht wurde.
»Sie werden auch wieder gehen«, erwiderte sie, »sobald Lawrence sich beruhigt hat. Wir haben freie Zimmer. Wo ist das Problem?«
» Ein freies Zimmer! Komm bloß nicht auf die Idee, dass sie mein Arbeitszimmer haben können! Hör zu, ich weiß ja, dass du dir um Lucas Sorgen machst –«
»Ja, das tue ich«, erwiderte sie spitz.
»Aber die Sache, die du mit Jon hattest, ist kein großes Geheimnis.«
Die Käsereibe erwischte ihren Fingernagel und sie zuckte vor Schmerz zusammen. »Ach, komm schon, das ist doch ewig her. Sie wissen, dass sie sich wie Idioten benommen haben. Sie müssen nur zur Ruhe kommen.«
»Hast du immer noch Gefühle für ihn?«
»Nun sei nicht albern.« Seine bohrenden Fragen, mit denen er sie plötzlich überfiel, waren ihr unangenehm. Seine Augen waren blutunterlaufen. »Hast du getrunken, Alastair?«
Er antwortete nicht. »Dieses Haus war nur für dich und mich gedacht, Rosie«, sagte er. »Glaubst du, ich will einen Typen hier haben, den du angeschmachtet hast? Das ist genau das, was sie tun würde.« Er meinte damit seine Exfreundin, die ihn so verletzt hatte, dass in seinen Augen noch immer blinde Wut aufflackerte, sobald er an sie erinnert wurde.
»Ich bin nicht sie.«
»Windige Freunde übernachten lassen und die ganze Nacht Koks schnüffeln, als wäre es das Normalste der Welt, und ich war dann derjenige, mit dem etwas nicht stimmte, wenn ich Einwände erhob.« Eine schwer lastende Pause entstand. »Und alle lachten über mich, den Idioten, der es nicht merkte, dass sie mit den meisten von ihnen schlief.«
Sie fühlte sich wie in Eis getaucht. Alastairs Gesichtsausdruck war wild und beunruhigend. »Das ist etwas völlig anderes. Ich habe nicht vor, irgendwas Derartiges zu tun, vor allem nicht mit meinem Bruder.«
»Und was ist mit deiner alten Flamme?«
Rosie lachte. »Hast du gesehen, in was für einem Zustand er ist? Ich glaube, er würde zerbrechen, wenn ich mich auf ihn stürzen würde.« Das war von ihr leichthin gesagt, aber es schien Alastairs Wut nur noch zu schüren. Er kann doch unmöglich Verdacht wegen Sam geschöpft haben, oder? Und entsetzt fragte sie ihn: »Denkst du tatsächlich so von mir?«
»Verdammt noch mal, Rosie, ich weiß nicht mehr, was ich denken soll!« Und er riss die Küchentür auf und stapfte hinaus in den
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