Vaethyr: Die andere Welt
Wort darüber.«
»Ah«, Rosie stieß die angehaltene Luft aus. »Dann hat er dir also nie verziehen, dass du ihm das Leben gerettet hast?«
»Genau.« Auberon lächelte bitter. »Ich konnte ihn weder zur Rede stellen noch ihn hassen – nicht, als Comyn mich bedrängte, nicht einmal damals wegen Jessica – und all das aus diesem Grund. Ich hatte ihn gerettet. Dadurch bekam sein Leben für immer einen besonderen Wert für mich, weshalb ich auch, egal was er mir antat, niemals Vergeltung üben konnte. Als wäre ich durch diese Tat für immer zu seinem Beschützer geworden.«
»Warum hast du uns das nicht schon früher erzählt?«
»Ach, das war immer etwas ganz Persönliches, Privates. Abgesehen von Jess habe ich nie mit jemandem darüber gesprochen. Schon gar nicht mit Lawrence, obwohl es immer zwischen uns stand. Comyn beschuldigt mich, zu sehr der Erde zugetan zu sein, und er hat recht.«
»Ich mache dir das nicht zum Vorwurf. Ich liebe dich dafür.«
»Ich habe insgeheim darauf hingewirkt, euch von eurem Erbe fernzuhalten, weil ich es nicht schaffte, über den beschützenden Vater hinauszuwachsen und euch als unabhängige Erwachsene zu behandeln.«
»Und trotz all deiner Mühe, es zu verhindern, sind wir dennoch zur Strecke gebracht und gebrandmarkt worden. Und Lucas ist es sogar passiert, noch ehe er das Lych-Tor öffnete. Wir haben überlebt.«
Auberon hob seine Hände. »Und alles, was die besitzergreifenden alten Käuze planen und sich ausdenken, ist letztendlich doch völlig nutzlos.«
»Kauz? Du?«, stöhnte Rosie. »Das merk ich mir, damit ich dich damit aufziehen kann. Aber falls Lawrence gestorben wäre … Wenn Luc … Du weißt, was ich dich fragen will.«
»Es heißt, wir können ewig weiterleben, in der einen oder anderen Form. Doch aus dem Abyssus gibt es kein Zurück, sagt man – aber selbst diesbezüglich können wir uns nicht sicher sein, denn er ist ja zugleich der Ursprung. Beim Spiegelteich hingegen geht es darum, die Wandlung zu akzeptieren. Elysium vermag zwar den physikalischen Leib zu heilen, aber wenn das versagt, fallen wir auf Jahre oder Jahrhunderte in einen Elementarzustand zurück. Das ist schwer, wenn es jemanden trifft, der einem nahesteht, denn es ist, als würde man einen Geist berühren; man muss akzeptieren, dass es sich nicht mehr um dieselbe Person handelt, sondern diese sich in einem Übergangsstadium befindet.«
»Wie die Grüne Frau in der Alten Eiche.«
Auberon sagte darauf leise: »Mir war nicht klar, dass du sie kanntest.«
»Sie kam jedes Mal herausgesprungen und hat mich immer mit ihren Warnungen vor einem Zusammenstoß erschreckt, die ich jedoch nicht verstand, bis es zu spät war. Aber sie war auch freundlich. Sie war seltsam und wunderbar. Und jetzt ist sie verschwunden.«
Auberon stieß einen tiefen Seufzer aus und sein Gesichtsausdruck war so düster, dass sie überlegte, was sie Schlimmes gesagt hatte. »Rosie, die Grüne Frau – als sie menschliche Gestalt hatte – da war sie meine Großmutter. Ich bin mir ganz sicher, dass sie dich als ihre Enkelin erkannt hat. Und dass sie sich auf die den Elementarwesen mögliche, wenn auch eingeschränkte Weise um dich Sorgen gemacht hat.«
Nach einer Weile, als Rosie diese Informationen einigermaßen verdaut hatte, sagte sie: »Und was nun? Lawrence kann Lucas nicht auf ewig auf Stonegate festhalten. Man hat das Gefühl, als hielte die Welt den Atem an.«
Sie spürte die Hand ihres Vaters auf ihrer Schulter. »Ich habe auch deswegen nicht mit Lawrence um die Öffnung der Tore gekämpft, weil ich immer gespürt habe, dass er recht hat. Er hat uns vor der Zerstörung bewahrt.«
»Luc und ich haben etwas im Abgrund gesehen«, erzählte Rosie im Flüsterton. Bei der Erinnerung daran erschauderte sie. »Es sah aus wie eine Kolossalstatue, aber es war mehr – wie ein lebendes Wesen, das versteinert oder zu schwarzem Eis gefroren war. Ich weiß nicht. Aber ich erinnere mich, dass ich mir gesagt habe, es hält nur deshalb still, weil Lawrence wachsam ist. Und es richtete seinen Blick auf Lucas. Drehte seinen Kopf und starrte ihn direkt an.«
»Unsere Vorstellungskraft spiegelt uns in der Spirale solide Wahrheiten vor.« Auberon schnaufte. »Wie nutzlos waren all meine Pläne, euch davor zu bewahren. Wenn Lawrence nun Lucas lehrt, ebenso wachsam zu sein … dann ist das zwar verständlich … aber was ist das für ein Leben für Luc? Ich würde es keinem wünschen. Es muss ein Ende haben, Rosie, aber ich weiß
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