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Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Warrington
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machte Rosie sich daran, einen Garten anzulegen. Sie hatte schon vor einiger Zeit damit begonnen, und zwar in dem verwahrlosten Rosengarten, der an der Grenze von Oakholme und Stonegate lag – dem Ort, wo sie vor Jahren Matthew gefunden hatte, nachdem dieser mit Sam gekämpft hatte. Aber sie hatte sich nicht entschließen können, welche Form sie dem Garten geben sollte, doch jetzt stand es fest. Rastlos machte sie sich an die Arbeit. Obwohl sie tagsüber für Fox Homes schuftete, verwandte sie die noch verbleibenden Tageslichtstunden darauf, diesen besonderen, geheimen Ort zu gestalten.
    Sie entwarf einen Pfad, der die Form einer sich nach innen drehenden Spirale hatte, und wählte als Oberflächenbelag silbrigen Schiefersplitt. Die Biegungen wurden von granitumrandeten Beeten abgegrenzt, die sie mit silbernem Blattwerk und schwarz blühenden Blumen bepflanzte: Tulpen, Stiefmütterchen, Iris, Hyazinthe – alles, was sie an Pflanzen mit fast schwarzen Blütenblättern finden konnte. Vor dem Silber hoben sie sich ab wie gewachstes Ebenholz mit einem leichten Stich Violett.
    Zur Mitte hin senkte sich ihr Garten ein wenig, sodass man nach unten gezogen wurde, wenn man der Spirale folgte. Ins Zentrum stellte sie ein Ei aus schwarz-grau poliertem Marmor, gute sechzig Zentimeter hoch. Es war so schwer, dass sie Sams Hilfe benötigte, um es in Position zu bringen. Er hatte die vergangenen Wochen bei Collegefreunden in Ashvale gewohnt und sie in Oakholme, aber sie sahen einander täglich. Oftmals blieb sie bei ihm, doch das Thema gemeinsame Zukunft behandelten sie nach wie vor mit Vorsicht. Vor ihrer Familie spielten sie ihre Beziehung herunter und wahrten taktvoll den Anstand. Doch sorgte genau dies dafür, dass sich die Intensität ihrer Beziehung vertiefte und die Flamme heller loderte denn je.
    »Worum geht es hier eigentlich?«, fragte er.
    »Ich habe den Ehrgeiz, für die Chelsea-Blumenschau einen Garten zu entwerfen«, antwortete sie. »Das hier ist mein Probestück.«
    »Eine Spirale«, sagte Sam. »Gefällt mir. Monochrom. Sehr zeitgemäß.«
    »Ihr Geheimnis jedoch, das man erst im Gehen erkennt, dass der Pfad dort, wo er das Ei erreicht, sich um sich selbst dreht und einen dann wieder herausführt. Wie Tod und Wiedergeburt.«
    »Ein Garten, der von der Anderswelt erzählt«, sagte Sam lächelnd. »Ich hab’s kapiert.«
    »Ja. Ein Garten, der von der Spirale erzählt.«
    Er sah sie offen an. »Andere Leute schreiben Gedichte oder malen Bilder. Meine Foxy drückt sich in einem Medium aus, das Felsen erfordert, die einem das Kreuz brechen.«
    »Gott sei Dank habe ich dich zur Massage meiner angespannten Muskeln.« Sie drückte sich an ihn und schlang ihre Arme um seine Taille. Es gab nichts Süßeres als das strahlende Glück, einander in den Armen zu halten, ohne dass Gefängniswärter sie davon abhielten.
    »Komm mit mir, Rosie, wir gehen weg«, flüsterte er ihr ins Ohr.
    »Das würde ich gern, Sam, aber ich kann nicht, noch nicht.« Sie grub ihre Fingernägel in seine Rippen. »Wie kannst du jetzt nur daran denken?«
    »Ganz einfach. Ich würde mit Freuden einfach gehen und sie allesamt zurücklassen. Wenn wir so lange warten, bis sie alle ihr Leben wieder geordnet haben, können wir bis in alle Ewigkeit warten!« Seufzend legte er seine Wange auf ihr Haar. »Findest du wirklich, dass wir bis zum bitteren Ende hierbleiben müssen?«
    Was ist Liebe überhaupt? , fragte Faith in ihrem Tagebuch. Über dieser Frage brütete Rosie auf dem Marmorei im Zentrum der Spirale. Die Abende wurden länger und die tief stehende Sonne tauchte sie in ihr goldenes Licht. Endlich kam sie der Antwort näher. Liebe hatte nicht nur eine Gestalt. Sie hatte viele Gesichter, viele Stimmungen. Und es ging dabei nicht darum, sich von Jons hübschem Gesicht und seinen wehenden Haaren betören zu lassen, so viel stand fest.
    Sie war allein und las wieder im Tagebuch, wobei sie nur hoffen konnte, dass ihre Freundin es ihr verzeihen würde. Immer deutlicher wurde Rosie bewusst, dass sie Faith überhaupt nicht gekannt hatte.
    Matt hält mich für ein Mäuschen. Selbst Rosie tut das, wenn auch für eins, das man lieben und beschützen muss. Sie denken, ich sei traurig und zerbrechlich. Und dass Kochen, Putzen und Bemuttern mein Lebensinhalt sind. Wenn sie wüssten, woran ich wirklich denke, hielten sie mich für verrückt .
    Rosie hörte das Knirschen von Schritten hinter sich – jemand nahm frecherweise eine Abkürzung durch die Beete.

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