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Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Warrington
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Essenz ist der Teil von mir, der den Schatten in Balance gehalten hätte, aber weil sie nicht vorhanden war, konnte der Schatten ins Monströse anwachsen.«
    Ein Stück Elfenstein, mit Spiralen und verbindlichen Symbolen versehen .
    Rosies freie Hand flog an ihr Gesicht. Die Stimme der Grünen Frau wisperte wie eine verlorene Erinnerung: Hast du nicht die Geschichte von der Seele gehört, Mädchen, die in einem Juwel in einem Ei in einem Beutel in einem Nest in einem Baum gefangen ist … »O mein Gott!«, sagte sie.
    »Rosie?«, sagte Sam, aber sie hatte sich bereits von ihm losgerissen und rannte aus der Spirale hinaus – sie war versucht, die Abkürzung zu nehmen, wusste aber, dass sie den Energiefluss nicht stören durfte – und durch den Garten und schließlich durch die Gartentür von Oakholme.
    Das Hausinnere krümmte und wand sich. Die Wände gaben nach, Schatten bewegten sich, geisterhafte Formen grotesker Ungeheuer traten hervor, um gleich darauf wieder mit der Oberfläche zu verschmelzen. Selbst der Boden war trügerisch, denn er hob und senkte sich wellenartig. Ihr Atem kondensierte in der eisigen Luft.
    Rosie streckte ihre Hände aus, um sich zu orientieren. Ihr war klar, dass sie sich in Dumannios befand. Es war der sich krümmende Schrecken, der unter der Außenhaut der Realität lag, im Unterbewusstsein. Mir kann nichts passieren , sagte sie sich, doch überzeugt war sie nicht. Ohne die Hautschichten der Wirklichkeit und der sanften Schattenreiche blieb nur noch die rohe Hässlichkeit der Albträume, die jetzt sogar hier in Oakholme durchbrachen, wo man davor immer sicher gewesen war.
    Gut möglich, dass die Menschen nichts von alledem wahrnahmen. Vielleicht war deren Oberflächenwelt noch immer intakt und es waren nur die Vaethyr, die herausgerissen worden waren. Als sie den Flur betrat, fragte sie sich, wo ihre Eltern und Brüder sein mochten – aber sie hatte keine Zeit, nach ihnen zu suchen.
    Der Flur und der Treppenabsatz kippten unter Blitzen immer wieder weg, während sie nach oben zu ihrem Zimmer lief. Obwohl die Wände sich wie Spinnennetze bewegten, sah ihr Schlafzimmer aus wie gewohnt und ihre Habseligkeiten waren noch am selben Ort. Sie suchte in ihrem Nachtkästchen, bis sie das kalte, glatte Ei fand, das stabil in ihrer Hand lag. In der Dunkelheit leuchtete es rosa wie ein lebendiges Herz.
    Auf ihrem Rückweg schwankten die Treppen und brachen unter ihr weg, sodass sie fast gestürzt wäre, sich aber gerade noch am Treppengeländer festhalten konnte. Von der Küche war fast nichts mehr zu sehen, ihre Stelle nahm eine abschreckende Höhle voller Dämonen ein – Bilder von Brawth in einem geborstenen Hologramm. Wie ein Seemann an Deck eines stampfenden Schiffes kämpfte sie sich voran. Blind tastete sie sich zur Tür vor, fand den Weg nach draußen und rannte dann stolpernd über die Rasenflächen.
    Die ganze Welt war nun ein einziges Dumannios. Feuer und Eis. Sie versuchte das Chaos abzuschütteln, in die Schattenreiche oder die Oberflächenwelt auszuweichen, aber es gab kein Entkommen. Der rote Himmel riss unter seinem fürchterlichen Druck.
    Brawth war ganz nah. Sie spürte ihn überall um sich herum, eine blitzende Schwärze, welche die Luft verformte. Sie musste das Zentrum der Spirale erreichen, bevor sie kam. In der Nähe des Hauses schlug ein Blitz ein und sie duckte sich und hielt sich die summenden Ohren.
    Als sie die Hecke hinter sich gebracht hatte, blieb sie stehen. Sie kam zu spät. Sie sah die dunkle, gestaltlose Masse – flackernd wie eine Sonnenfinsternis, ja genau, an das erinnerte sie das tintige Zentrum und die grelle Korona –, aber die Form hatte etwas Menschliches, oben breit wie ein Stier und gehörnt: eine Minotaurusgestalt. Langsam, aber unaufhaltsam nahm sie die erste Biegung der Spirale und bewegte sich auf Lawrence zu.
    Ihr Herz drohte zu zerspringen.
    »Lawrence!«, schrie sie. »Sam! Hier – fang!«
    Und sie warf das Quarzei.
    Sam verfolgte das Herannahen von Brawth. Er erhob sich und stellte sich hinter seinen Vater, die Hände beschützend auf dessen Schultern gelegt. Lawrence fühlte sich knochig an und zitterte. Er blieb sitzen, die Füße fest gegen den Boden gestemmt, das Rückgrat aufrecht.
    »Geh, Sam«, sagte er.
    »Ich bleibe«, erwiderte Sam.
    »Durch nichts habe ich einen solchen Sohn verdient.«
    »Das kann man verschieden auslegen.«
    »Dann such dir die beste Auslegung aus«, sagte sein Vater gelassen.
    Eine kraftvolle Brise kämpfte

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