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Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Warrington
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das ihrem Vater gegebene Versprechen erfüllt, aber was bedeutete dies?
    »Nichts«, sagte sie. Sie erhob sich und machte sich plötzlich klar, dass sie keinen von ihnen jemals wiederzusehen brauchte. Sie lächelte.
    »Dann verlasse ich dich jetzt so, Lawrence, wie ich angekommen bin«, sagte sie. »Ohne alles.« Sie streifte die Jacke ab, die sie für das Ritual getragen hatte, und warf sie zu Boden, ließ sie zurück wie eine abgestreifte Haut und ging. »Leb wohl, Lawrence. Leb wohl, Stonegate. Leb wohl, lieber Papa.«
    Als Rosie taumelnd Oakholme erreichte, konnte sie anfangs niemanden finden. Das Wohnzimmer war ein einziges Durcheinander, der letzte Blitzschlag hatte ein Fenster zersplittern lassen. Dann bemerkte sie, dass der merkwürdige Haufen in der Ecke, bedeckt mit herabgefallenem Putz und Glasscherben, ein Gewirr aus Menschen war. Ein verwandelter Matthew lag über seinen Eltern sowie ihrer Tante und ihrem Onkel und sah ganz so aus wie eine Löwenmutter, die ihre Jungen beschützt. Auf seinem Fell lag eine dicke Staubschicht.
    »Hilf mir«, sagte sie.
    Langsam kam Leben in den Haufen. Trümmer fielen von ihnen herab, als sie sich langsam entwirrten. Matthew starrte Rosie an und kehrte, einen benommenen Ausdruck im Gesicht, in seine normale menschliche Gestalt zurück. Sie sah, dass sie alle mit dem Leben davongekommen waren. Alle waren bleich, standen unter Schock und bluteten aus diversen Wunden – aber sie hatten überlebt. Dumannios war verschwunden, die Welt hatte wieder eine feste Form.
    Stolpernd kam ihre Mutter auf sie zugeeilt, um sie zu umarmen. »Mein Gott, Rosie. Was ist denn passiert?«
    Sie brachte die Worte kaum über die Lippen. »Sam und Lawrence …« Sie deutete nach draußen. »Bitte helft mir.«
    Lucas und Iola hielten sich im Wohnzimmer neben dem großen Saal auf, wo sie ihre Gesichter an die Scheiben der bodenlangen Fenster drückten und in den Regen hinaussahen. Der Garten war verwüstet, überall lagen umgestürzte Bäume und abgerissene Blätter. Das plötzliche Ende von Brawths Angriff hatte Luc so verwirrt, dass er keinen klaren Gedanken fassen konnte. »Bleib hier«, sagte er. »Ich hole uns was zu trinken. Ich habe jetzt keine Angst mehr, wie ist das bei dir?«
    »Wenn ich bei dir bin, habe ich keine Angst«, sagte sie und richtete ihre Blattgoldaugen auf ihn.
    In der Küche zündete Lucas eine Kerze an. Da der elektrische Wasserkocher nicht funktionierte, stellte er einen Topf mit Wasser auf den Gasherd. Während er wartete, bis es kochte, versuchte er in Oakholme anzurufen, aber die Leitung war tot und er besaß kein Mobiltelefon.
    »Luc?«, rief eine Stimme. Es war Jon, der fürchterlich aussah. Teigige Haut, blutunterlaufene Augen, bedeckt mit geronnenem Blut. Er schwankte herein und ließ sich auf einen Stuhl fallen.
    »Dann bist du endlich wieder zu dir gekommen«, stellte Lucas fest. »Alles in Ordnung?«
    »Es tut mir leid.« Gequält presste er die Worte heraus. »Bitte verzeih mir.«
    Lucs Mund öffnete sich. Seine Hände formten in der Luft ein Geweih. »Was zum Teufel sollte das mit dem Hirsch?«
    Jon rieb sich die Augen. »Ein verrückter Albtraum. Das war es, Luc. Ich werde nie wieder Drogen anrühren, nie wieder.«
    »Aha? Aber Kaffee fällt nicht darunter, oder?« Er erhob sich, um den Kaffee aufzubrühen. Jon folgte ihm.
    »Es ist mir ernst damit. Du hattest ja recht, ich habe mein ganzes Leben vergeudet, indem ich mich wie ein Arschloch aufgeführt habe. Und nahm dabei gar nicht wahr, was ich unmittelbar vor Augen hatte. Es tut mir unendlich leid.«
    »Mir auch Jon.« Dabei wandte Lucas sich ihm mit ernster Miene zu. Sie schauten einander an und schlossen sich in die Arme. Luc konnte sich nicht erinnern, von Jon schon mal derart umarmt worden zu sein, aus schlichter Zuneigung – fast Verzweiflung –, ohne ein verstecktes Motiv. Es fiel schwer, sich zu lösen.
    »Können wir reinen Tisch machen?«, fragte Jon, als sie sich ein wenig unbeholfen trennten.
    »Gewiss. Warum nicht.« Sein Mund wurde trocken, als er die schwerste Frage stellte: »Hast du Lawrence gesehen?«
    Jon schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was passiert ist. Ich war weggetreten.«
    »Du hast das alles gar nicht mitbekommen?« Lucas schaute ihm in die benebelten Augen und streckte die Hand aus, um Jons wirres Haar zu ordnen. »Wir haben die Tore geöffnet. Die Welt drehte durch. Schattenriese, Hurrikan, ein schweres Unwetter. Ich dachte, das Haus würde einstürzen. Ich zittere noch

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